Illustration: Burcu Baytak
Illustration: Burcu Baytak

„Fahrradfahrer werden wie Könige behandelt“, sagt Tobias Reitz. Er und Bebero Lehmann, beide vom Darmspiegel Verlag, organisieren mit gut 25 weiteren Mitstreitern die erste Organic Disco Darmstadts, womöglich ganz Deutschlands. Am Mittwoch, dem 14. April, sollen in der Centralstation aber nicht nur Fahrradfahrer wie Könige behandelt werden. Es geht ums große Ganze: unsere Umwelt. Deshalb soll die Organic Disco die ressourcenschonendste Party werden, die Darmstadt je gesehen hat. Dass sie in der Centralstation stattfindet, ist kein Zufall – schließlich war der Kulturbetrieb früher ein Elektrizitätswerk.

Damit die Besucher schon umweltfreundlich zur Party kommen, kann jeder, der sich seine Karte vorab kauft, umsonst mit Bus und Bahn in die Centralstation fahren. Fahrradfahrer können ihre Drahtesel auf einem eigens dafür aufgebauten Fahrradparkplatz, direkt vor dem alten Elektrizitätswerk, abstellen. Königlich: Sie bekommen zur Begrüßung eine kleine Überraschungsbox. Anschließend schreiten die Radler über eine roten Teppich hinein in die Organic Disco. In der Zeit, in der drinnen getanzt und gefeiert wird, rüsten Aktivisten der Organic Disco die geparkten Fahrräder für die spätere Heimfahrt: die Bremsen werden nachgezogen, es kommt neue Luft in die Reifen und frisches Öl auf die Kette. Damit bei der Heimfahrt alles läuft.

Energie durch Tanzen

Ortswechsel: Wir befinden uns mitten in der Organic Disco. Gerade hast Du Dir ein hopfen-und-malziges Bier an der Bar geholt – „natürlich produziert in der Umgebung“, wie Bebero Lehmann betont. Jetzt gehst Du auf die Tanzfläche … und in Deinem Kopf macht es „BOOM!“. Was ist denn das für eine seltsame Tanzfläche? Es ist der Sustainable Dancefloor, auf Deutsch: ein nachhaltiger Tanzboden, „der extra aus der Rotterdamer Diskothek WATT Sustainable Dance Club für die Organic Disco ausgeliehen wurde“, wie Organisatorin Bebero stolz erzählt. Wer auf dem Sustainable Dancefloor tanzt, drückt auf die darunter liegenden Federn, durch die ein Generator angetrieben wird. Ein EnergieMeter zeigt den Partygängern an, wie viel Strom sie gerade tanzenderweise erzeugen. Damit es nicht zum Stillstand auf der Tanzfläche kommt, sind zwei der wohl besten Techno- / House-DJs Europas im Einsatz: Roman Flügel und Heiko MSO (Klang Elektronik / Playhouse).

Wer trotz Dauertanzens noch überschüssige Energie hat, kann auf ein Fahrrad steigen, das die Elektrotechniker vom Darmspiegel in bester Daniel-Düsentrieb-Manier umgebaut haben: Setzt man sich darauf und strampelt, bewegt man nicht nur sich – sondern auch die Discokugel über dem Dancefloor. Volle Rotation! Also immer kräftig weiter strampeln! Auf eine „Klima umbringende Lasershow“ verzichten die Organisatoren bewusst – und setzen stattdessen auf energiesparendere Visuals. So werden Videos über LCD-Beamer auf eine große Leinwand projiziert. Extra für die organische Party haben vier Industriedesign-Studenten der Hochschule Darmstadt bis zu drei Meter hohe Lichtsäulen aus alten Tischen und Stoff gebaut. Nur einen LED-Spot plus Reflektoren braucht es, um jedes Ungetüm zu beleuchten. Trotz aller Bemühungen: Ganz ohne Strom aus der Steckdose geht es auch in der Organic Disco nicht. Die nicht selbst erzeugte Energie bezieht man aber immerhin in Form von Ökostrom von Sponsor Entega.

Fleisch = CO2

Zurück zum Partygeschehen. Langsam aber sicher bekommst Du Hunger. Ernüchtert stellst Du fest, dass es nur vegetarisches Essen gibt. Hättest Du Dir aber auch denken können – bei so viel CO2, wie die Herstellung von Fleisch verursacht, muss man sich darüber nicht wundern. Also genieße Dein Gemüsecurry, das in schicken Palmblattschalen serviert wird. Gut gesättigt gehst Du langsam Richtung Ausgang und erblickst einen Stapel kleiner Bücher. Anscheinend darf man sich einfach eins mitnehmen. Du blätterst darin und merkst: Das ist quasi eine Erklärung für alles, was in der Organic Disco Thema ist. Zusammengefasst: Energiesparen kann auch Spaß machen! Erstaunt blickst Du Dich um und entdeckst einen vom Darmspiegel. Du gehst auf ihn zu, ihr kommt ins Gespräch. Er erzählt Dir, dass die Party ein Denkanstoß für jeden sein soll, Energie zu sparen, und mehr auf die Umwelt zu achten. Und dass sie diese ganze Party seit November letzten Jahres planen. Dann verabschiedet er sich. Du holst draußen Dein rundum erneuertes Fahrrad ab und radelst irgendwie beseelt nach Hause. In Gedanken wechselst Du schon mal alle alten Glühbirnen gegen Energiesparlampen aus.

www.organic-disco.de