Illustration: Illustration: Anne-Sophie Engelhardt

 

Die Corona-Pandemie hat viel von uns Studierenden abverlangt. In den Schulen herrscht bereits seit Monaten wieder „Normalität“, eine neue mit wöchentlichen Schnelltests, Maskenpflicht und strengen Hygieneauflagen. Doch die Seminarräume und Hörsäle in den Hochschulen und Universitäten bleiben weitgehend leer. Wir, Student:innen der Hochschule Darmstadt (h_da), haben uns die Frage gestellt, wie lange das noch geht. Vor uns liegt das dritte Semester im Studiengang Online-Journalismus. Unser Jahrgang wartete gespannt auf die erlösende Informationsmail für Präsenzveranstaltungen am Mediencampus Dieburg – vergeblich. Es führte zu einem unablässigen Kampf schon vor Semesterbeginn.

Zwei aufregende sowie anstrengende Semester liegen schon hinter uns. Wir wussten nicht, was alles auf uns zukommen wird. Doch schnell war uns klar, dass wir unseren Campus erst mal nicht sehen werden: Vorlesungen, Seminare, Gruppenarbeiten und das Kennenlernen untereinander – alles fand digital statt. Es war eine völlig neue Situation für alle. Aber wir haben uns davon nicht runterziehen lassen, sondern immer versucht, das Beste daraus zu machen. Der Zusammenhalt in dieser schwierigen und neuen Zeit war unter Kommiliton:innen sowie mit den Dozent:innen sofort zu spüren: „Die Hochschule hat sich Mühe gegeben, dass wir einander trotz der Situation kennenlernen, miteinander lernen und interagieren können“, erzählt meine Kommilitonin Leonie Koppe. Doch die 20-Jährige bedauert auch, kaum Student:innen über unseren Studiengang hinaus kennengelernt zu haben. 

Der Austausch mit Kommiliton:innen fehlt

Das Studium ist für alle eine prägende Zeit, an die wir uns später einmal gerne zurückerinnern wollen. Wenn wir an ein erfüllendes Studienleben denken, sehen wir eine Gemeinschaft von jungen Menschen, die alle verschiedene Träume und Vorstellungen haben, aber dennoch das gleiche Ziel – einen erfolgreichen Studienabschluss – verfolgen. Durch den Austausch untereinander können wir auch viel für unser späteres Leben mitnehmen. Soziale Kontakte fehlen uns seit Corona. Besonders schwer traf es Student:innen, die während dieser schwierigen Zeit ihre Heimat für das Studium verlassen mussten. Weit weg vom engsten Familien- und Freundeskreis – das war auch für Felix Poser keine leichte Situation. Über 500 Kilometer entfernt von seiner Heimat Pinneberg in Schleswig-Holstein zog der 21-Jährige nach Darmstadt. Neue Menschen im neuen Umfeld treffen, ging jedoch anfangs nicht: „Durch den Lockdown kamen natürlich noch mehr Einschränkungen auf mich zu. Da gab es schon Tage, an denen ich lieber wieder zu Hause gewesen wäre.“

Die Online-Lehre ermöglichte es zwar, Leute kennenzulernen. Doch es ist nicht das, was wir unter sozialen Kontakten verstehen. „Gerade bei einem kommunikativen Studiengang wie unserem freute ich mich umso mehr auf den Austausch mit meinen Kommiliton:innen. Stattdessen saß man allein in seinem Zimmer und merkte schnell, dass virtuelles Lernen vielleicht ansatzweise funktioniert, virtuelles Leben aber keinesfalls“, sagt Celine Georg. Für die 20-Jährige ist es belastend, zu wissen, dass niemand uns die bisher verpasste gemeinsame Studienzeit angemessen ersetzen könne. Wie viele andere auch vermisst sie die Präsenzlehre: Der Praxis-Anteil, erzählt Leonie, sei etwas, das wir aus den ersten beiden Semester nicht mehr wiederbekommen. Es fehle schon ein großes Stück, besonders „wenn man im letzten Semester immer gehört hat, wie bestimmte Aufgaben in Präsenz ausgesehen hätten. Beispielsweise das gemeinsame Fotografieren im Gegensatz zum Erklären einer Kamera auf einem Laptopbildschirm“, erzählt sie. 

„Wir können nicht mehr!“ 

Während des zweiten Lockdowns war nur schwer abzusehen, wann es endlich möglich sein wird, den Campus von innen zu erkunden. Doch zum Sommer 2021 verbesserte sich die Pandemie-Lage zunehmend. Durch den Impffortschritt kam es nach und nach zu Lockerungen. Die 3-G-Regel brachte etwas Normalität in den Alltag zurück, was sich auch auf Schulen sowie Universitäten ausgewirkt hat. Wir rechneten zwar nicht mehr mit Präsenzveranstaltungen im Sommersemester, aber unsere ganze Hoffnung lag auf dem kommenden Wintersemester. Bestärkt wurden wir von einem Bericht des Darmstädter Echos im Juli, in dem die Hochschule mitteilte, dass es im Wintersemester „so viel Präsenz wie möglich“ geben wird. Es fühlte sich wie ein Traum an. Daran glauben konnten wir jedoch erst, wenn unsere Studiengangleitung dieses Vorhaben bestätigen würde. Doch in einer Mail von Anfang September zerplatzte der Traum: Studiengangleiterin Silke Heimes schrieb uns, dass vorerst keine Präsenzveranstaltungen geplant sind. Gründe dafür sollen fehlende Raumkapazitäten sein und die angebliche Tatsache, dass noch nicht genügend Student:innen vollständig geimpft sind. Wir alle mussten diese Mail erst mal verdauen. Wir waren fassungslos und frustriert zugleich. In unseren Köpfen sahen wir uns wieder den ganzen Winter über allein vor dem Computer sitzen: „Ich musste vor Verzweiflung weinen, als ich mir vorstellte, noch einmal sechs Monate allein in meinem Zimmer zu sitzen. Ich kann das einfach nicht noch einmal. Vor allem nicht psychisch“, sagt Leonie. 

Im dritten Semester, aber noch nie an der Uni

Zwei Semester haben wir viel Geduld und Verständnis gezeigt. Wir wissen von der Herausforderung, Hygienevorschriften und Abstandsregeln für alle auf dem Campus adäquat umzusetzen. Aber dennoch konnten wir die Begründungen nicht einfach so hinnehmen – nicht noch länger. Die Raumkapazität war für uns alle nicht greifbar, da wir nie die Räume des Mediencampus gesehen haben. Doch es bleibt für uns unvorstellbar, dass es für Seminargruppen von etwa 16 Studierenden keine Raummöglichkeiten gibt. Felix äußert das, was viele Student:innen schon lange denken: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie in Schulen seit Monaten die Schüler wieder in den Klassenräumen sitzen, aber an den Unis Präsenzunterricht nicht ermöglicht werden kann.“

Aktuell sind wir 33 Studierende in unserem Jahrgang. Durch private Gespräche wussten wir von einigen, dass sie sich impfen ließen. Der vermeintlichen Tatsache, dass nicht genügend geimpft seien, wollten wir nachgehen. Deshalb starteten wir eine interne Umfrage innerhalb des Jahrgangs. Zwar gab es von der Hochschule bereits eine Umfrage, aber keiner von uns wusste, wie viele genau daran teilnahmen. Wir können auch nicht für jeden Jahrgang oder Studiengang der h_da sprechen. Wir wollten für uns mehr Transparenz schaffen. Das Ergebnis: Rund 80 Prozent der 33 Online-Journalismus-Drittsemester sind vollständig geimpft. Mehr als der Durchschnitt bundesweit.

Daraufhin setzte Leonie eine Mail auf mit all unseren Gedanken und Gefühlen sowie dem Ergebnis der Impfumfrage. Es war zwar mit viel Aufwand verbunden, aber wir wollten endlich auch angehört und ernstgenommen werden. „Das Thema von möglicher Präsenz wurde allgemein vielleicht zu spät angegangen, aber wir wurden ja auch wochenlang im Ungewissen gelassen, was uns nächstes Semester erwartet“, erklärt Leonie. 

Der Wunsch vom erfüllenden Studienleben 

Wir erwarten keine Normalität wie vor der Pandemie, aber nach einem Jahr wollen wir Kompromisse sehen, so wie es auch den Schulen gestattet wurde – und auch funktioniert. In unserer weiteren Studienzeit wollen wir nicht länger durchgängig vor dem Bildschirm in Zoom-Meetings sitzen.

Nach unserer Mail vergingen sechs Tage ohne eine Antwort. Trotz der Angst, wieder enttäuscht zu werden, glaubten wir fest daran, etwas bewirken zu können. Und tatsächlich hat unser Einsatz Wirkung gezeigt. Laut Silke Heimes haben die Dozent:innen und das Dekanat Rücksprache gehalten. „Leider ist es uns weiterhin aus verschiedenen Gründen nicht möglich, im regulären Stundenplan einen alternierenden Hybrid-Unterricht anzubieten“, so Heimes. Doch es gibt endlich einen Kompromiss: Es wird bei ausgewählten Lehrveranstaltungen einzelne Präsenztermine am Campus Dieburg geben.

Für uns ist das ein Anfang, aber trotzdem nicht das, was für alle zufriedenstellend ist. „Der Großteil wird weiterhin online sein, vielleicht sehe ich in einem halben Jahr acht Mal meine Universität“, sagt Leonie. Doch wir sagen auch: besser als nichts. Wir werden unseren Campus kennenlernen und das Gefühl vom Studieren zumindest für ein paar Momente fühlen können. Niemand weiß, wann wir wieder zur Normalität zurückkehren werden. Das vierte Semester wird das Praxissemester sein und dann liegen nur noch drei Semester bis zum Bachelor vor uns, in denen wir hoffen, unser Studienleben in vollen Zügen genießen zu können. Für jetzt haben wir alles getan, was wir konnten, und wir können stolz sein. Es ist ein kleines Zeichen für alle Studierende, dass es sich zu kämpfen lohnt.