Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Über einem Durchgang schwebt, unterteilt in sechs Kästen, eine Reiterfigur. Lediglich sein Körper und seine Augen, jene der zwei Pferde und einige Linien sind in Rot- und Blautönen gehalten, die sich von der sonst geometrischen Komposition in gedeckten Erdtönen absetzen. Außerdem ist die gesamte Bildfläche durchzogen von einem Gewimmel an Linien, denn es handelt sich um ein großflächiges Mosaik und die Füllmasse zwischen den keramischen Einzelteilen wird zwangsläufig Teil des Ganzen.

Da für die Realisierung dieses Werkes Bruchstücke verwendet wurden, ergibt sich kein geradliniges Raster, sondern es entstehen Netzwerke von Kanälen, die mal an Spinnennetze erinnern, mal an Straßenkarten. Es ist bemerkenswert, mit welcher Liebe zum Detail der Künstler dieses riesige Puzzle gelöst hat. Wenn diese wunderschönen Mikrokompositionen in den Blick geraten, ist es schwierig, sich nicht darin zu verlieren. In Japan gehen manche Künstler sogar so weit, zerbrochene Keramik mit Gold erneut zusammenzufügen, um die zufällig entstehenden Linien und Muster zu zelebrieren. Die als Kintsugi bezeichnete Praxis ist nicht nur visuell äußerst ansprechend, sondern betont den Charakter und die Eigenwilligkeit, die Bruchstellen den Dingen geben können – wenn man sie nur lässt.

Derartige Übungen in Aufmerksamkeit sind kleine Chancen zum Widerstand gegen eine völlig auf das Perfekte fokussierte Konsumgesellschaft, in der statt Reparatur der stete Neukauf zum Reflex geworden ist und zum Kollaps unseres Planeten beiträgt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und vielleicht springt der Reiter bald von der Wand in die Schlacht gegen die geplante Obsoleszenz.

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jede:n sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.