Waldkunst
Foto: Jan Ehlers

Irgendwann kommt der Moment, da braucht auch die Vergänglichkeit mal ein festes Dach über dem Kopf. Zugegeben: der Witz an Waldkunst ist eigentlich, dass sie draußen stattfindet, unter freiem Himmel oder maximal unter einem dichten Blätterdach. Aber der ganze Papierkram, den die Kunst so mit sich bringt und der beim Verein für Internationale Waldkunst ein ganzes Archiv füllt, dazu die vielen Mitbringsel und Ausstellungsstücke von Künstlern aus aller Welt – die müssen halt auch irgendwo hin. „Um es kurz zu machen: Ich wollte das Zeug endlich raushaben aus meinem Haus“, sagt Ute Ritschel und lacht. Die 53-Jährige ist die Kuratorin des Vereins. Und der hat seit einigen Wochen einen festen Wohnsitz: Das Internationale Waldkunst Zentrum (IWZ), ein 70-Quadratmeter-Häuschen an der Darmstädter Ludwigshöhstraße.

„Wir haben ein Büro gesucht und ein Haus gefunden. Ein echter Glücksfall für uns“, erklärt Ritschel. Mit ihrem Verein organisiert sie seit 2002 den Internationalen Waldkunstpfad in Darmstadt, eine Biennale, die sich in diesem Jahr zum fünften Mal jähren wird, dann unter dem Thema „Freiheit und Wildnis“. 12.000 Besucher fanden zum letzten Waldkunstpfad den Weg ins südhessische Unterholz.

Im IWZ ist nun das Archiv des Vereins untergebracht, dazu eine kleine Ausstellung. Es gibt eine Küche und einen Büroraum mit altem Bollerofen. „Vor allem war uns aber wichtig, eine zentrale und neutrale Anlaufstelle zu haben – für Besucher, als Veranstaltungsstätte, aber auch für die Vereinsmitglieder selbst“, erklärt Ritschel weiter. Bevor das IWZ im Oktober 2009 eröffnete, mussten die Vereinsmitglieder ganz schön in die Hände spucken: Marode Wasserleitungen wurden ausgetauscht, das Dach neu gedeckt, alle Wände bekamen einen frischen Anstrich. Und dann war da noch der Garten.

Von der Straße aus kaum einzusehen, erstreckt sich hinter dem IWZ ein 2000 Quadratmeter großes Grundstück, „das mannshoch mit Büschen und Sträuchern zugewuchert war“, erinnert sich Ritschel. Das Grünzeug musste weg. Als ein Teil des Gartens vom Gröbsten befreit war, „kam doch tatsächlich noch ein zweites Häuschen zum Vorschein. Davon wusste vorher keiner von uns.“ In dem Haus richtet der Verein zurzeit eine Werkstatt ein. Außerdem sollen dort Unterkünfte für die Künstler entstehen, die zum Waldkunstpfad anreisen.

Zwischen 80 und 90 Künstler waren beim Internationalen Waldkunstpfad bisher dabei, schätzt Ritschel. Ein Drittel von ihnen sind Deutsche, der Rest kommt aus der ganzen Welt nach Darmstadt, um hier ausstellen zu können. Finnen waren schon mit von der Partie, Asiaten, Südamerikaner und Engländer. Drei Wochen leben sie hier zusammen, „und dabei entsteht ein toller Austausch, jeder bringt aus seinem Land neue Impulse und Ansichten mit ein“, erzählt die Kuratorin.

Vor dem IWZ thront inzwischen das meterlange „Fossil 2009“, eine nicht zu übersehende Mischung aus Dinosaurier und hölzerner Sitzgelegenheit von Massimo de Giovanni. Auch auf dem Freigelände dahinter hat die Kunst Einzug gehalten: Dort steht zum Beispiel eine Installation aus weißem Tuch von Jens J. Meyer, der auch schon im Darmstadtium seine Kunst gezeigt hat. Das Faszinierende an der Waldkunst sei die Vergänglichkeit der Werke, erzählt Ritschel. Rund ein Drittel der Arbeiten, die bei einem Waldkunstpfad zu sehen sind, halten nicht länger als vier bis fünf Wochen, bevor sie kaputtgehen – so zum Beispiel Seerosen aus Pappe, die 2008 auf dem Goetheteich schwammen. Ein anderer Teil schafft es bis zum Winter – und einige Arbeiten bleiben auch nach Ende des Waldkunstpfads im Wald. Rund 20 Stück sind es inzwischen im Forstrevier Böllenfalltor. Sie bestehen fort, verändern sich mit den Jahreszeiten, „einige sind sofort zu sehen, an anderen laufen viele Spaziergänger vorbei, ohne sie zu bemerken“, erzählt Ritschel. „Vor allem sind in der Waldkunst aber sehr intensive Projekte möglich“, erklärt die Kuratorin weiter. Da steht man nicht nur im Museum und guckt sich ein Bild an, nein, „die Kunstwerke im Wald passen sich in ihre Umgebung ein, und oft kann man sie berühren oder an ihnen riechen. Da werden einfach alle Sinne aktiviert.“

Der Rundgang erstreckt sich über gut 200 Kilometer und ist für jeden – ob Jogger oder Spaziergänger – offen zugänglich. Für alle, die mehr über die Waldkunst erfahren wollen, bietet der Verein auch Führungen an. Das Internationale Waldkunst Zentrum selbst steckt im Moment noch in der wohlverdienten Winterpause, öffnet aber passend zur Schneeschmelze ab März wieder seine Türen.

 
Der Wald ruft!

Verein für Internationale Waldkunst e.V.
und Internationales Waldkunt Zentrum (IKZ)
Ludwigshöhstraße 137
64285 Darmstadt
Telefon: (06151) 78 99 537
E-Mail ute@ritschel.net
www.waldkunst.com