wrede für p._06-2009
Grafik: Rocky Beach Studio

Immer mehr offensichtlich Verhaltensgestörte gehören zum Stadt- und Dorfbild und das gefällt mir. Quer durch Alter, Herkunft und Physis gehen dabei die Auffälligkeiten.

Klar, Grundschüler, welche die komplette Strecke zur Schule Motorgeräusche imitierend oder rückwärtslaufend zurücklegten, gab es selbst im meiner Kindheit. Aber die heutige Palette an Verrücktheiten scheint schier grenzenlos. Im Zug zum Beispiel, da brauche ich kein Buch, irgendeiner ist immer interessant zu beobachten. Oft auch welche mit Rechnern. Draußen ist es aber noch schöner: Ich sehe alte Frauen, die sich durch die Fußgängerzone bewegen, scheinbar allein, um mir durch ihr „Wie“ den Bummel zu versüßen. Ich passiere einen mit sich selbst über die Welt diskutierenden Asiaten, dort vorne sitzt einer am Pflanzenkübel auf der Bank und zieht vor jeder sich nähernden Taube den Hut. Gut so. In der Straßenbahn treffe ich sich in der Lebensmitte befindende Heiner, die unglaublich erheiternde Grimassen schneiden – und warum auch nicht?

Jeden, der sein kindliches Gemüt bewahrt hat, wird dies unterhalten. Nur gilt es unkindlich zu erkennen, dass man über solche Leute weder laut lacht, noch mit dem Finger auf sie zeigt. Setze ich nun also voraus, dass wir Bescheid wissen, jeden so zu akzeptieren wie er ist, und eine gewisse Gelassenheit in uns tragen, so sollte jede solche Zusammenkunft nicht mit dem an die Schläfe tippenden Zeigefinger Unmut auslösen, sondern zu einer Bereicherung und nichts anderem werden. Es gilt zu bejubeln, was jenseits der Norm liegt, nicht zu verdammen!

Wenn die Welt tatsächlich nur besiedelt wäre von Tauben fütternden Omis, Bildzeitung lesenden Maurern und Hollandrad fahrenden Latzhosenträgern, so hätte ich sie längst verlassen. Ist sie aber nicht. Drum bleibe ich.