Fotos: Universitätsarchiv / TU Darmstadt
Fotos: Universitätsarchiv / TU Darmstadt

Diesmal beschäftigen wir uns mit dem Herzstück der Stadt, dem Darmstädter Residenzschloss. Eine ordentliche Mogelpackung, wie sich bei den Recherchen herausstellte.

Andreas B. aus D. möchte wissen: „Liebe Vicky, stimmt es, dass das Darmstädter Residenzschloss gar nicht original ist?“

Jedes Mal, wenn ich die Touristenhorden durch das Schloss pilgern sehe, frag ich mich, was die da genau bestaunen. Es gibt ja sogar gezielte Führungen durch das Darmstädter Residenzschloss. Das Schloss gehört offensichtlich zu den Aushängeschildern der Stadt Darmstadt, obwohl seine Existenz über Generationen viel Geld und Unmut gekostet hat. Die meisten Steine, die wir uns heute anschauen, sind gerade mal 50 Jahre alt und daher auch nicht historischer als das Luisencenter oder das Saladin-Gebäude. Geschichtsträchtig sind mehr oder weniger nur die Keller des Schlosses, da diese aus physikalischen Gründen nicht zerbombt werden konnten.

Aber wühlen wir uns doch mal durch die geschichtlichen Fakten. Das, was wir heute Schloss nennen, war ursprünglich eine Burg, genauer eine Wasserburg und wurde erstmals im 14. Jahrhundert erwähnt. Den Aufstieg zum Schloss machte die Burg dann ein Jahrhundert später, allerdings brachte die Beförderung auch direkt einige Niedergänge mit sich. Das Schloss wurde in knapp 500 Jahren ganze vier Mal zerstört und wieder aufgebaut. Zerstört wurde es aber nicht, weil Landgraf Ernst Ludwig die Kerze zu nah an den Vorhang stellte, sondern weil Darmstadt scheinbar viele Feinde hatte. Jede Zerstörung ging mit einem Angriff feindlicher Truppen einher. Man wollte den Prachtbau aber offensichtlich nie aufgeben und begann unmittelbar nach den Angriffen und Zerstörungen wieder mit dem Aufbau. So kam es, dass das Schloss über die Jahrhunderte ein buntes Potpourri an Stilelementen der einzelnen Epochen abbildete. Auch in jüngster Geschichte blieb das Schloss nicht verschont und wurde im Zweiten Weltkrieg von den Briten bis auf die Grundmauern zerbombt.

Da die Darmstädter ihr Schloss nicht aufgeben wollten, haben sie es immer wieder rekonstruiert. Es ist eines der wenigen Gebäude in der Innenstadt, dem dieses Privileg zu Gute kam. Die anderen historischen Bauwerke wurden durch 1950er- und 1960er-Jahre-Schmuckstücke ersetzt. Wer schon mal das Vergnügen hatte, hinter die dicken Schlossmauern zu schauen, vielleicht weil er ein Seminar im Schloss besuchen musste, wird wissen, wovon ich nun rede: Das wieder zusammengeschusterte Schloss ist nämlich eine ordentliche Bruchbude mit schier endlos vielen Baustellen.

Bekanntermaßen sind Nachkriegsbauwerke nicht für die Ewigkeit gebaut und so kommt es, dass das Darmstädter Residenzschloss immer mehr Mängel aufweist, von zugigen Fenstern, nostalgischen Aufzügen und dem wenig pompösen Interieur mal ganz abgesehen. In die Sanierung und Instandsetzung steckt die TU Darmstadt ordentlich Geld, da darf man sich schon mal die Frage stellen: Wofür das Ganze? Jetzt wandert nach der örtlichen Polizei auch noch die Universitäts- und Landesbibliothek in einen Neubau ab und das halbe Schloss wird zu einem Lernzentrum umgebaut – für viel Geld, versteht sich.

Einfacher wäre es doch sicherlich, in den leerstehenden Schlossteilen das 603 und die Krone unterzubringen – es würde keine Beschwerden mehr geben, der Bauverein könnte die City mit Hotels zupflastern und das Partyvolk müsste keine längeren Strecken mehr zurücklegen. Deutschlands erstes Partyschloss … das wäre mal ein Aushängeschild – und wirklich sehenswert.

Fragvicky2