Manchmal merkt man erst, dass etwas gefehlt hat, wenn es da ist. So verhält es sich auch mit „dazz“, dem ersten Darmstädter Jazzfestival. Immerhin wähnt man sich in Darmstadt mit seiner großen Jazzszene, dem weltbekannten Jazzinstitut mit der weltgrößten Jazznotensammlung und sogar vier nach Jazzgrößen benannten Straßen als heimliche Jazzhauptstadt des Landes. Doch das Nächstliegende, der Jazzmusik auch ein Festival zu widmen, darauf war man bislang noch nicht gekommen. Dabei zelebrieren die umliegenden Großstädte Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Mannheim und Heidelberg alle schon lange welche.
Und so haben Bernd Breitwieser (Bessunger Knabenschule), Arndt Weidler (Jazzinstitut), Meike Heinigk (Centralstation) und weitere Mitstreiter nun nicht nur das erste Darmstädter Jazzfestival organisiert, sondern ob der etablierten Konkurrenz dabei manches anders gemacht als die Nachbarn. Das „dazz – Jazz Winter Darmstadt“ steigt vom 13. bis 22. Januar – ein traditioneller Gurkenmonat, in dem sich sonst kaum einer was traut. Und statt an einem Wochenende alle Konzerte am gleichen Ort zu geben, verteilt sich das stilistisch vielfältige Festival mit 17 Veranstaltungen über elf Tage und zehn Orte.
„Das ist ein Clubfestival, bei dem wir auch etwas von Darmstadt zeigen wollen“, erklärt Weidler. Insgesamt haben sich zehn Veranstalter zusammengeschlossen. Neben den bereits genannten: der Jazzclub im Achteckigen Haus, das Hoffart-Theater, das Justus-Liebig-Haus, die Oetinger Villa, das Programmkino Rex, die Stadtkirche und das Vinocentral am Hauptbahnhof. „In Darmstadt gibt es eben viele tolle Veranstaltungsorte, die im Schweiße ihres Angesichts und oft an der finanziellen Grenze seit Jahren ein tolles Kulturprogramm und eben auch Jazz machen“, lobt Weidler die Beteiligten.
Das dazz-Festival bietet neben Darmstädter Größen wie Uli Partheil und Jürgen Wuchner auch international bekannte Stars wie Renaud Garcia-Fons aus Frankreich oder Achim Kaufmann, den aktuellen Deutschen-Jazzpreis-Träger. Ein Kinderkonzert wird Julianes Wilde Bande in der Centralstation geben. Außerdem begleiten zwei Fotoausstellungen das Festival: Die Berliner Fotografin Ulla C. Binder teilt Einblicke „Hinter den Kulissen“, während sich „hot circle darmstadt – oder: wie der Jazz an den Woog kam“ der historischen Verankerung des Genres in unserer Stadt widmet. Einen Dokumentarfilm über Günter „Baby“ Sommer zeigt das Programmkino Rex. Avantgardistisch wird’s in der Oetinger Villa, wenn der zeitgenössische Komponist Orson Hentschel mit seiner audiovisuellen Live-Show die Grenzen von Elektro, Neuer Musik und Jazz verschiebt.
Einen Festival-Pass, mit dem sich alle Konzerte besuchen lassen, gibt es leider nicht. Allerdings erhalten die Besucher gegen Vorlage des Festival-Programmhefts an der jeweiligen Abendkasse eine Ermäßigung. Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Spricht man „dazz“ nun analog zum Jazz als deutsches „Dats“ aus oder als amerikanisches „Dähs“? „Nun, man kann es auch als hessisches ‚des‘ aussprechen“, erklärt Heinigk. Alla gut, dann mache mer all‘ uff des dazz!