Foto: Jan Ehlers

Eingezwängt zwischen Baustellenzäunen und aufgerissenen Böden steht am Friedensplatz ein seltsam anmutender, sechseckiger Bau. Namen hatte das Gebäude schon viele, Besitzer und Funktionen auch – vom mondänen Schlosscafé über Edel-Café-Bar oder Restaurant mit Club im Keller bis zum Designmöbelhaus. Nun beherbergt das sogenannte „Waben“ das Institut für Neue Technische Form (INTeF).

Noch vor einem Jahr war das Gebäude ziemlich heruntergekommen: mit Schmierereien versehen, ein unansehnlicher Betonklotz am Friedensplatz. Die Stadt Darmstadt hat die Immobilie 2016 erworben und rund ein Jahr renoviert und saniert. Nun fällt das Winterlicht in helle Räume, auf bunte Stühle, bauchige Vasen und übereinander gestapelte Plattenspieler. Allesamt Klassiker des Industrie-/Produktdesigns.

Seite Anfang März ist das „Waben“ die neue Heimat des INTeF. Umgezogen wurde im November und Dezember. Mit Rollwagen wurden Stühle, Tische, Elektrogeräte und viele andere Objekte vom alten Sitz am Friedensplatz 10 („Langes Bäuche“) kurzerhand um die Baustelle herum ins neue Domizil gefahren.

Galerie, Arbeitsplätze und Designbibliothek

„Es gibt hier und da noch etwas zu tun, aber wir haben uns schon gut eingelebt“, sagt die kommissarische Geschäftsführerin Ute Schauer zufrieden. Sie sitzt an ihrem sonnendurchfluteten Arbeitsplatz im Obergeschoss des neuen Quartiers, von dem aus sie einen guten Blick auf den ehemaligen Sitz des Designinstituts hat. Das Obergeschoss fungiert nun als kreisförmige Galerie, auf der verschiedene Arbeitsplätze und eine kleine Designbibliothek eingerichtet sind.

Ute Schauer gefällt die neue Heimat im „Waben“ gut. Sie hat 1970 ihr Architekturstudium in Darmstadt begonnen. Zu dieser Zeit war das Gebäude mit dem interessanten Grundriss gerade erst ein Jahr alt – und Ende 1971 auch schon wieder geschlossen. Das damals dort beheimatete Schlosscafé lief einfach zu unrentabel.

Nach dem Café – und parallel zur legendären, vollverspiegelten Disco „Extasis“ im Untergeschoss – zog das Designmöbelhaus „Funktion“ als Pächter in das sechseckige Gebäude ein. Danach folgte, nach Phasen des Leerstands, im Jahr 2008 das „Waben“, ein schickes Café mit Bar. Hiermit war schon 2009 wieder Schluss – der bildhafte Name jedoch hat sich bis heute gehalten. Das Restaurant „Viva El Sol“ war zwischen 2012 und 2015 der letzte Betreiber einer Gastronomie. Mit dem Kauf der Immobilie bekannte sich die Stadt Darmstadt dafür, das Gebäude dauerhaft für kulturelle Zwecke nutzen zu wollen.

„Das kam uns sehr gelegen“, sagt Ute Schauer. Das INTeF musste nach fast zehn Jahren aus dem „Langen Bäuche“, einem ehemaligen großherzoglichen Reitstall, ausziehen. Dort sollte eigentlich ein Museum eingerichtet werden, das die Geschichte und Stigmatisierung von Sinti und Roma behandelt. Die Verhandlungen mit dem Träger des Museums scheiterten, die Stadt hat noch drei weitere Immobilien im Visier. Die weitere Nutzung des „Langen Bäuche“ sei noch unbestimmt, teilte der Eigentümer, die Hessische Hausstiftung, auf Nachfrage mit. Ausziehen musste das INTeF dennoch.

Ganz optimal ist das „Waben“-Gebäude mit den vielen Fensterscheiben für Ausstellungen zwar nicht, aber kreative Lösungen sind bereits gefunden. Beispielsweise können auf Säulen in der Mitte des Raumes Objekte gezeigt werden.

Foto: Jan Ehlers

Hommage an Dieter Rams

Die Dieter-Rams-Ecke fügt sich schon jetzt perfekt in den Raum. Rams, der von 1961 bis 1995 Leiter der Formgebung beim Elektrogerätehersteller Braun war und Mitglied des INTeF ist, füllt mit seinen Schöpfungen eine 20 Quadratmeter große Fläche des neuen Domizils. Hier finden sich neben Plattenspielern und Tonbandgeräten im typischen 60er-Jahre-Stil auch ein modulares Regalsystem und bequeme Kunststoffsessel, die ebenfalls von Rams entworfen wurden. Hier lässt sich sein Design ganz entspannt erleben.

Mitte März wurde die erste Vernissage in den neuen Räumlichkeiten gefeiert. Gudrun Zapf-von Hesses künstlerisches Werk zur Buch- und Schriftgestaltung wird bis Mitte April in einer Ausstellung geehrt. Die 100 Jahre alte, in Darmstadt lebende Schriftkünstlerin ist eine international bekannte Ikone der Typografie.

Für fünf Jahre am Friedensplatz?

Wie lange das INTeF im „Waben“ bleiben wird, ist derzeit noch unklar. Es gebe zwar noch keine Zusagen, aber sei immer wieder ein Zeitraum von fünf Jahren im Gespräch gewesen, so Ute Schauer. Danach hofft sie wieder auf einen Platz an der Mathildenhöhe. „Wenn dort im Rahmen der Bewerbung für das Weltkulturerbe Mathildenhöhe neue Ausstellungsflächen bereitgestellt werden, würde sich das INTeF gut einfügen“, findet Schauer. Von Seiten der Stadt wurde öffentlich bislang nur eine Alternative im Pallaswiesenviertel, das zum Künstlerviertel entwickelt werden soll, in Aussicht gestellt.

Bis zu dieser Entscheidung ist aber noch etwas Zeit. Jetzt versucht das INTeF erst einmal, am Rande der Baustelle am Friedensplatz auf sich aufmerksam zu machen. Dort wird nämlich bis zum Ende des Jahres weitergebaut.

 

Designinstitut mit Strahlkraft

Das INTeF ist das erste und älteste Designinstitut Deutschlands, es wurde 1951 gegründet. Seitdem wurden über 360 Ausstellungen zum Thema Industriedesign in den eigenen Räumen und außerhalb realisiert. Gründungsmitglieder waren Prinz Ludwig von Hessen, die Stadt Darmstadt und Firmen aus der Region. Von 1952 bis 2007 war der Sitz des INTeF im jetzigen Designhaus an der Mathildenhöhe. Im Juni 2016 verstarb der langjährige Institutsleiter und spiritus rector, Michael Schneider. Beeindruckend, wie enthusiastisch und liebevoll seine Mitstreiter das Lebenswerk Schneiders neu in Szene gesetzt haben. Nun ist das INTeF im „Waben“ am Friedensplatz zu Hause, definiert sich aber weiterhin als Verein zur Förderung von Kunst und Gestaltung, Kleinserie und Industrieprodukt.

Bürozeiten: dienstags bis freitags von 11 bis 18 Uhr. Während der Ausstellungen ist das Gebäude außerdem samstags von 11 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 13 Uhr geöffnet.

www.institut-fuer-neue-technische-form.de