Foto: INTEF
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Die Wenigsten wissen es, aber es ist Fakt: das „Institut für Neue Technische Form“ (INTEF) ist das älteste deutsche Designzentrum – und sitzt in Darmstadt. Betrachtet man seinen Standort am Friedensplatz Nummer 10 – und die benachbarten Geschäfte wie „Funktion“, „Artig“, oder „Asphaltgold“, deren Unternehmenszweck sich mit Einrichtungs-, Haushalts- oder Sneaker-Design verbinden lässt – scheint es hier gut aufgehoben zu sein. Denn (auch) das INTEF beschäftigt sich mit der „Förderung der Qualität industrieller Produktgestaltung und deren Anerkennung in der Öffentlichkeit, der Bekanntmachung innovativer Leistungen, Ermöglichung experimenteller Schritte, Nachwuchsförderung, lnformationsaustausch und Kontaktvermittlung“.

Das INTEF ist Darmstadts erste Anlaufstelle in Designfragen. Dafür stehen nicht nur bis dato über 300 realisierte Ausstellungen zum Zentralthema „Industriedesign“ sowie zu benachbarten Gebieten wie Grafik, Fotografie, Architektur, Kunst, Wissenschaft und Technik. Des Weiteren stellt das Institut immer wieder Designgrößen und -firmen, Ausbildungsstätten sowie historische, wissenschaftliche und technische Themen mit dem Ziel, gutes Design zu fördern, in den öffentlichen Fokus.

Rund 30.000 Exponate umfasst die INTEF-Sammlung, aufgeteilt in Archive aus Medien (Fotos, Super-8-Filme, Bücher, Vorträge), Prototypen, Serienprodukte und Pläne. Produktsammlungen existieren von Firmen wie AEG und Braun über thonet und Olivetti bis WMF und Villeroy und Boch. Sie stammen aus Stiftungen, Nachlässen oder Überlassungen von Studienarbeiten. Sammlungen der Arbeiten von Designpionieren–unter anderem Wilhelm Wagenfeld, Gerd lange und Dieter Rams– ergänzen das Portfolio. Angesichts des Umfangs wenig verwunderlich: Das intEF ist auf der Suche nach einem großen Archiv. Denn der nicht ausgestellte teil der Sammlung ist zurzeit noch auf drei verschiedene Standorte verteilt.

Beispielhaft für die herausragende Institutsarbeit steht die Ausstellung „im Designerpark – leben in künstlichen Welten“ – 2004/2005 der Publikumsmagnet auf der Mathildenhöhe zusammengestellt zum Großteil aus Exponaten der intEF-Sammlung. Wie wichtig die Institution auch im überregionalen Kontext für den Designsektor ist, zeigen unter anderem Beteiligungen an Ausstellungen in Tokio, Osaka, Moskau, Mailand, Zürich und– aktuell– London. Zudem initiiert das intEF Designwettbewerbe, ist Bindeglied zwischen Designernachwuchs und Unternehmen, vermittelt über Vorträge, Diskussionen und Exposition Einblicke in neue Technologien und ihre Funktionsweisen. Auch als Kooperationspartner für (hoch-)Schulen, Museen, Unternehmen oder andere Designzentren ist die Einrichtung eine gefragte Adresse über die Stadtgrenzen hinaus. Dabei wird Design grundsätzlich als „kritisches Erfassen, Reflektieren und bewusstes Gestalten der Umwelt“ verstanden, wie es dem druckfrischen neuen Instituts-Faltblatt zu entnehmen ist.

Doch gilt der Prophet bekanntlich nirgends weniger als im eigenen Haus. Und so steht die Institution in Darmstadt aktuell eher vor einer Standortbestimmung und einem Neubeginn. Das INTEF, 1952 gegründet, ist seit 2008 in den Räumen der Großherzoglichen Vermögensverwaltung zu hause. Als Hausherr stellt Landgraf Moritz von Hessen, zugleich erster Vereinsvorsitzender des intEF e.V., die Räumlichkeiten mietfrei zur Verfügung. Untergebracht im „langen Bäuche“, einem barocken Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert, das einst den landgräflichen Pferdestall beherbergte, hat das Institut gerade in jüngster Zeit eine lebhafte Entwicklung hinter sich gebracht. Vor zwei Jahren wollte Oberbürgermeister und Kulturdezernent Walter Hoffmann die Kulturlandschaft neu ordnen am Ende stand der Auszug des Instituts aus dem Eugen-Bracht-Weg unterhalb der Mathildenhöhe. Bis heute bestehen zumindest atmosphärische Dissonanzen zwischen intEF e.V. und Stadt, die– obwohl Gründungsmitglied– dann auch noch die finanzielle Förderung strich. Zwar gab es das Angebot, im Alfred-Messel-haus zu verbleiben, in dem mittlerweile „Hessen Design“ als neues Kompetenzzentrum Einzug gehalten hatte. Doch für intEF Geschäftsführer Michael Schneider wäre das „ein fauler Kompromiss“ gewesen, „denn man hätte gerne unsere Sammlung untergebracht, die Mitarbeiter aber nicht übernommen“.

Seit den 1970er Jahren leitet Schneider die Geschicke der Einrichtung, viele Ausstellungsstücke stammen aus seinem Privatbesitz. Der „lebensbejahende Bauch- und Genussmensch“, wie er sich selbst beschreibt, ist ein Quell an Wissen in Sachen Design. So wird eine Schneider‘sche Einführung in die bis Mitte Dezember laufende Ausstellung „Design und… …Raum“ von Institut und Innenarchitektur-Studenten der Hochschule Darmstadt zu einem spannenden Ausflug zu den Ursprüngen und Ideen von Designobjekten. Da ist beispielsweise die berühmte Vase „Savoy“ des finnischen Designers Alvar Aalto: „Der hat sich an Skizzen von Seen in seiner Heimat erinnert und die Umrisse für den Entwurf verwendet“, erklärt Michael Schneider. Gerne führt der charismatische Bohemien nicht nur Fachpublikum tiefer in das Thema Design ein, sondern auch mal Laien bei einem Kaffee, wie zum Beispiel auch mal die Briefträgerin.

Das aktuell inflationäre hochstilisieren des Designbegriffs sieht Schneider durchaus kritisch: „Man sollte Dinge um sich herum sammeln, die man auch braucht. Dass Menschen eine gestylte Luxusküche allein aus Statusgründen anschaffen und um sich ein image zu erschaffen, dafür fehlt mir das Verständnis. Design muss weg vom rein repräsentativen Zweck.“ Design und sein nutzen ist für ihn eine im Alltag mehr als wichtige Materie: „Denkt man zum Beispiel an Kinder, Senioren oder behinderte Menschen, sollten Dinge so gestaltet sein, dass sie leicht zu handhaben sind.“ Michael Schneider steht hier in Einklang mit dem Grundsatz „form follows function“. Schade sei, dass viele Design-Experimentierfelder wie Fernsehgehäuse oder Schreibmaschinen mittlerweile ausgestorben sind. Und auch die gute alte Telefonzelle vermisst er.

Das INTEF sieht der Geschäftsführer trotz finanzieller Einbußen auf einem guten Weg: Der „Arbeitskreis Perspektiven“ hat vor kurzem ein Konzeptpapier erstellt, der daraus folgende Arbeitskreis „Öffentlichkeitsarbeit“ entwickelt Ideen. Das Thema „Finanzierung/Sponsoring“ soll ebenfalls verstärkt angegangen werden. Zudem ist ein Förderverein in Gründung, Kooperationen mit der Kunsthalle Darmstadt oder dem hessischen Landesmuseum sind am Entstehen. Die berühmte „Braun-Börse“ – ein populärer Design-Flohmarkt, der regelmäßig im Garten des alten Domizils veranstaltet wurde- soll auch im neuen Domizil am Friedensplatz ihren Platz finden.

Neue Ausstellungen sind bereits in Planung: Für Januar wird der weltberühmte Darmstädter Typograf Hermann Zapf mit seiner Werkschau „Typografie und Kalligrafie“ angekündigt. im Februar folgt eine Ausstellung über Arbeiten von Herbert Ohl: „Möbeldesign und Architektur“. Angedacht ist außerdem eine Exposition zum Thema „Broken heart“ über, wie Gefühlsmensch Michael Schneider beschreibt: „Dinge, die uns begleiteten, an denen wir hingen – und die kaputt gingen“.

www.institut-fuer-neue-technische-form.de

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