Foto: Theater Moller Haus

Bund und Länder planen gerade weitere Hilfsprogramme für Kulturschaffende. Wir wollten wissen: Wie hält sich unsere freie Darmstädter Theaterszene über Wasser? Akteure vom Theater im Pädagog, Theater Moller Haus, Neue Bühne und Hoff-Art Theater haben uns erzählt, wie es ihnen künstlerisch und finanziell so geht – und vor allem, was sie sich für die Zukunft wünschen.

„Deutschland ist ein Land der Kultur und wir sind stolz auf unsere vielfältigen Angebote im ganzen Land“, so leitet Kanzlerin Angela Merkel ihren Video-Podcast vom 09. Mai auf der Webseite der Bundesregierung ein. Ganz besonders betroffen, so Merkel, seien die vielen freischaffenden Künstlerinnen und Künstler. Zusammen mit der Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, sollen Hilfsprogramme und Unterstützungsmaßnahmen geschaffen werden. Diese Maßnahmen stünden auf der Prioritätenliste ganz oben.

Was Politikerinnen und Politiker für den Erhalt unseres kulturellen Lebens planen und umsetzen, kann jeder in den überregionalen Medien verfolgen. Doch wie geht es der Darmstädter Szene direkt vor unseren Haustüren? Was unternimmt die Stadt Darmstadt, um ihren Künstler*innen unter die Arme zu greifen? Kommen die Maßnahmen zur Finanzierung der permanent anfallenden Kosten wie Mieten, aber auch Ausfallhonorare dort an, wo sie gebraucht werden?

Umtriebigkeit statt Stillstand

Der gemeinsame Nenner der Szene könnte lauten: Umtriebigkeit statt Stillstand. Victor Schönrich vom Ensemble Theaterquarantäne, das seine Stammlocation im Hoff-Art Theater hat und das internationale Sprungturm-Festival auf die Beine stellt, wirkt positiv: „Wir haben eine Filmversion unserer Performance „Pferde und Skateboards“ produziert. Wenn die Menschen nicht zu uns kommen, müssen wir neue Wege finden, um zu den Zuschauern zu kommen.“

Not macht erfinderisch, das zeigt auch das Team vom Theater im Pädagog, kurz: TiP. Dort werden bereits Pläne für den nahenden Sommer geschmiedet: „Wir sind natürlich nicht untätig, bereiten unterschiedliche kleine Beiträge, Sketche, Pantomimen, Lesungen vor, die wir filmen und online stellen. Im Sommergarten soll es einen Mittagstisch sowie Ausschank und Brunch geben – alles bio und regional. Dort sollen kleine Stücke in Zweierbesetzung und Unplugged-Musik gespielt werden“, so Klaus Lavies und Ingrid Walter vom TiP.

Wenn nur reduziert gespielt und geprobt werden kann, bleibt Zeit für die Arbeit an der Spielstätte, wie uns Renate Renken von der Neuen Bühne Darmstadt erzählt: „Wir haben einige Renovierungs- und Verschönerungsarbeiten vorgenommen, für die sonst nie Zeit ist. Auch unser Gärtchen wächst und gedeiht und soll unseren Zuschauern zukünftig zur Verfügung stehen. Wir haben in Zweiergruppen unter Einhaltung der gültigen Abstandsregeln geprobt, was bei manchen Szenen gewisse komische Akzente hervorgerufen hat. Trotzdem ist die Lage prekär: Da wir von 145 möglichen Plätzen durch die Vorgaben ungefähr nur 70 besetzen können, sind die Kosten einer Vorstellung nicht gedeckt. Das ist langfristig nicht tragbar.“

Ohne finanzielle Hilfe geht es nicht

„Es sind finanzielle Unterstützungsmaßnahmen geplant, die notleidenden Künstlern, kleinen Bühnen, Kulturschaffenden und Veranstaltern helfen sollen“, erklärt uns Klaus Honold, Pressesprecher der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Laut Darmstadts OB Jochen Partsch wird der geplante Hilfsfonds für Kulturschaffende mit 100.000 Euro gefüllt sein. Die Vorlage renne beim Magistrat „offene Türen ein“. Man rechne mit einer zügigen Verabschiedung, damit der Plan in die Tat umgesetzt werden kann. Zudem würden die freiwilligen Zuweisungen an Vereine – anders als 2019 – nicht um 20, sondern lediglich um fünf Prozent gekürzt. Diese Hilfen werden dringend gebraucht. Wenn die Theaterszene erhalten bleiben soll, muss die finanzielle Unterstützung passgenau bei den Kulturschaffenden ankommen, denn die Sorgen über den Fortbestand des eigenen Theaters bleiben groß. Selbst wenn noch größere Lockerungen der Kontaktbeschränkungen und Sicherheitsabstände kommen sollten, ist die Umsetzung der Regelungen eine große Herausforderung. Zudem könnten Lockerungen jederzeit revidiert werden.

Björn Lehn ist Theaterpädagoge am Theater Moller Haus und arbeitet beim Kinder- und Jugendtheater Lakritz. Er hält die Lage für bewältigbar, dennoch bleibt er skeptisch: „Für die Kindertheater bringt die angekündigte Lockerung gar nichts, da die Schulen bis zu den Herbstferien keine externen Veranstaltungen besuchen dürfen und die Kitas noch immer geschlossen haben. Für Nachmittagsvorstellungen im freien Verkauf sind die Hygieneauflagen ein betriebswirtschaftliches Fiasko. Dem Theater Moller Haus blieben durch die Auflagen grob geschätzt 25 Plätze übrig. Wir können nur hoffen, dass die Schulen nach dem 20. Oktober in großer Zahl kommen und das Infektionsgeschehen bis dahin weitere Lockerungen und somit mehr Zuschauerplätze erlaubt. Sonst sieht es ohne staatliche Unterstützung sehr finster aus.“

Auch Victor Schönrich von der Theaterquarantäne findet klare Worte. Er plädiert für Lösungen, die unbürokratisch ans Ziel kommen: „Ob wir unser Lager und Büro behalten können, ist durch fehlende Einnahmen fraglich. Innovative Kulturarbeit benötigt Förderung, auch wenn sie nicht in die klassischen Anträge passt.“

Wünschen und schauen, was geht

Wer künstlerisch arbeitet, der weiß, dass Hoffen, Wünschen und Träumen nie zu kurz kommen darf. Was hilft: Die Veranstalter spüren die Unterstützung durch ihre treue Fanbase seit Anfang der Corona-Krise. „Ich wünsche mir, dass die Solidarität und die vielfältige Unterstützung durch unser Publikum nicht endet. Und endlich eine echte Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand kommt. Außer warmen Worten, guten Absichten und offensichtlichen Nebelkerzen der Kulturstaatsministerin Grütters ist bei uns leider bisher nichts angekommen, was uns helfen könnte. Aber wir sehen hoffnungsvoll auf das nun vom Land Hessen angekündigte neue Hilfsprogramm für Kulturschaffende und auf die von unserem OB Partsch angekündigte Hilfe für freie Künstler in der Wissenschaftsstadt“, appelliert Björn Lehn vom Theater Moller Haus.

Klaus Lavies und Ingrid Walter vom TiP stimmen einen ähnlichen Ton an: „Wir wünschen uns, dass unsere Gäste treu bleiben und den Sommergarten besuchen. Dass sie neugierig bleiben und uns weiterhin unterstützen. Von der Stadt wünschen wir uns Verständnis für die wirklich prekäre Situation der Darmstädter Kultur- und Gastronomieszene, ansonsten würde sich unser Stadtbild dramatisch verändern. Wir brauchen hier die Unterstützung von Stadt und Politik, die wirklich umsetzbare Konzepte für uns realisiert.“

Die Macher des TiP beklagen die große Unsicherheit, mit der gehandelt werden müsse. Selbst, wenn nun für Herbst 2020 Veranstaltungen in der Mache seien, gebe es keine Planungssicherheit, ob diese auch stattfinden dürften. Ihr Dank gilt der Kundschaft: „Betonen möchten wir, wie fair unsere Veranstaltungsteilnehmer sind, die ihre Karten zum großen Teil nicht zurückgeben, Gutscheine erwerben und zu unserer Crowdfunding-Aktion beitragen.“ Diese Erfahrung machte auch Renate Renken von der Neuen Bühne: „ Glücklicherweise erhielten wir immer wieder Unterstützung verschiedenster Art durch unser Publikum, wofür wir sehr dankbar sind. So gut wie alle Zuschauer, die schon Eintrittskarten hatten, waren einverstanden, diese gegen Gutscheine oder Umbuchung einzulösen. Auch erhielten wir Spenden und viele wertschätzende Briefe oder Mails. Das war sehr wichtig für uns alle. Ansonsten sind wir mitten in den Vorbereitungen, um die Auflagen der Hygieneregeln auf charmante Weise zu erfüllen. Schließlich besuchen unsere Gäste im neuen Stück ,The Kings’s Speech‘ ja die Royals und kein Krankenhaus.“

 

Crowdfunding für die lokale Theaterszene

Für die freie Theaterszene gibt es auch Möglichkeiten abseits staatlicher Hilfen, um an Gelder zu kommen. Das TiP versucht seine wirtschaftlichen Einbußen, die bereits in den letzten Monaten im mittleren fünfstelligen Bereich lagen, mit einer Crowdfunding-Aktion abzumildern. Entsprechende Möglichkeiten gibt es bei allen unserer befragten Theater. Jetzt seid Ihr als Fanbase gefragt:

theatermollerhaus.de/spenden

hoffart-theater.de/unterstutzen

neue-buehne.de/ueber_uns/kontakt.htm

startnext.com/unterstuetzt-das-paedagog