Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Ausgehend von vier kreisrunden und weit über den Köpfen von Fußgängern gelegenen Zuluftöffnungen ziehen sich lange, schwarze Linien über die Fassade. Dazu gesellen sich die Umrisse von Menschen, manche musizierend, manche tanzend, manche durchbohrt von zuvor erwähnten Linien. Es ist ein einfaches, klares Bild, welches nicht zwingend für eine spezielle Örtlichkeit des Nachtlebens stehen müsste. In diesem Fall aber soll die überdimensionale Zeichnung an das dort vormals existierende 603qm erinnern.

Das 603qm war für ein knappes Jahrzehnt zu Beginn der 2000er-Jahre ein überaus aktives Kulturzentrum von Studierenden. Nun ist es ist nicht gerade üblich, dass Kulturprojekte und Clubs nach ihrem Ableben eine derartige Erinnerung bekommen. Was hat es mit der besonderen Melancholie beim Zurückdenken an diesen Ort auf sich, die auch zehn Jahre nach Schließung noch anhält? Natürlich hatten dort wirklich viele Leute richtig gute Nächte – der Autor war einer von ihnen. Das gilt allerdings für etliche Orte und vermutlich gäbe es gar nicht ausreichend Wandfläche, wollte man allen gleichermaßen ein Denkmal setzen.

Vielleicht hat es etwas damit zu tun, wie das Ende des 603qm mit dem Auslaufen von Diplom- und Magister-Studiengängen zusammenfällt. Denn der Bologna-Prozess als beispiellose neoliberale Umgestaltung der gesamten europäischen Bildungslandschaft hat nicht nur dafür gesorgt, dass der Zeitplan von heutigen Studierenden so fragmentiert ist wie die Wandarbeit von Johanna Krimmel. Er hat auch dafür gesorgt, dass studentisches Engagement wie jenes, das für den Betrieb eines Projektes wie das 603qm notwendig war, eine sehr knappe Ressource geworden ist. Damit reiht sie sich ein in eine lange Liste von Dingen, die der Neoliberalismus an den Rand der Existenz getrieben hat. Aber eben nur an den Rand, denn aus 603qm sind am selben Ort in neu gebautem Gewand 806qm geworden. Und in Zukunft werden dort garantiert auch wieder etliche Menschen eine richtig gute Zeit verbringen, um ihre Freiräume bei lauter oder leiser Musik selbstbestimmt zu gestalten – den Autor dieser Zeilen eingeschlossen.

 

Kunst im öffentlichen Raum

Kunst findet man nicht nur in Museen und Galerien, sondern oft auch im Freien und für jeden sichtbar. Manche Werke sind schon seit Jahrhunderten ein Teil des Stadtbildes, andere zieren es nur kurz. In Darmstadt haben einige Fügungen des Schicksals dafür gesorgt, dass es besonders viele Kunstwerke im öffentlichen Raum gibt. Ohne die schützenden Laborbedingungen eines White Cube gehen sie allerdings schnell unter. Dabei können gerade diese stillen Zeitgenossen unsere Wahrnehmung des Stadtraumes verändern und unser Verständnis von Welt herausfordern. Eine Einladung zum Fantasieren.