Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Jetzt haben wir uns schon den rändlichsten Randgebieten gewidmet, es wird Zeit für das Herz Darmstadts – und gleichzeitig das verkehrsmäßig Schlimmste, was ich je gesehen habe: der Luisenplatz.

Antonia K. aus M. möchte wissen „Liebe Vicky, wieso trägt der Luisenplatz seinen Namen, obwohl dort nicht die Lange Luise, sondern der Lange Lui steht?“

Antonia, Deine Frage lässt sich eigentlich ganz schnell in einem Zweizeiler beantworten – ich möchte dennoch etwas näher auf das Thema Luisenplatz eingehen, da dieser ein weiteres architektonisches Meisterwerk der Stadt darstellt. Der Luisenplatz wurde nach Luise Henriette Karoline von Hessen-Darmstadt, ihres Zeichens Ehegattin Ludwigs I. von Hessen-Darmstadt – also dem Heini, der da oben auf der 39 Meter hohen Säule steht – benannt. Den Platz als solches gibt es allerdings schon etwas länger und er war nicht durchweg unter dem Namen Luisenplatz bekannt. Wie so vieles haben die Nationalsozialisten auch den Luisenplatz für ihre Zwecke missbraucht und ihm den vermeintlich klangvollen Namen „Adolf-Hitler-Platz“ verliehen. Da ist mir ein architektonischer Trümmerhaufen mit dem schönen Namen Luisenplatz doch weit lieber als ein prachtvoller Paradeplatz mit dem widerwärtigen Namen eines absoluten Widerlings. So viel zu Deiner Frage.

Der Luisenplatz und ich hatten anfängliche Schwierigkeiten miteinander, doch inzwischen sind wir ein eingespieltes Team. Die Tatsache, dass man nie weiß, an welcher Haltestelle man sich stellen soll, weil von drei Seiten Bahnen zum Hauptbahnhof fahren, hat mir schon den ein oder anderen Wutanfall beschert. Und ich möchte nicht wissen, wie viele unschuldige Passanten dort schon überfahren wurden. Der Luisenplatz als Mittel- und Knotenpunkt der Stadt ist natürlich auch Treffpunkt der Crème de la Crème – und damit meine ich nicht unbedingt die Menschen, die sich täglich am Langen Lui treffen. Auch als Flaniermeile Darmstadts ist der Luisenplatz über die Stadtgrenzen – bis in den Odenwald – bekannt.

Die Zerstörung der Prunkbauten auf dem Luisenplatz während des Zweiten Weltkriegs (zum Beispiel die Residenz des Großherzogs) gerät beim Anblick der schmucken Gebäude, die jetzt hier das Stadtbild zieren, vollends in Vergessenheit. Abgerundet wird das Ganze durch den Wiederaufbau des spätbarocken Kollegiengebäudes, welches heute Sitz des Regierungspräsidiums Darmstadts ist.

Mein optisches Highlight in diesem Ensemble sind die Brunnen, die sich zur rechten und linken Seite des Langen Ludwigs befinden. Bei einem Gang durch die Innenstadt sind dies die Punkte, die ich weitläufig umgehe, da man bei einer Windböe Angst um die eigene Gesundheit haben muss. Man könnte unvorhergesehen von schimmelig grün-braunem „Wasser“ angefallen werden, welches durch die wohl etwas veralteten Rohre in die Fontäne geleitet wird – und sich mit seltenen, gar unbekannten Darm-Krankheiten anstecken.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt der Luisenplatz mit seinem Langen Lui (der Entwurf der Sandsteinsäule stammt übrigens von Georg Moller, die Statue entwarf der Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler) Dreh- und Angelpunkt der Stadt. Nach eingehender Studie weiß man auch irgendwann, mit ihm umzugehen, findet auf Anhieb die richtige Bahn zum Hauptbahnhof und geht gefährlichen Krankheiten weiträumig aus dem Weg. Ich würde sagen: Der Luisenplatz ist der wahre Mittelpunkt des Jugend-Stils.

Fragvicky2