Kunst, Kultur und der universitäre Betrieb geben sich an der TU Darmstadt schon lange die Hand. Und auch im Außenraum, in Uninähe, gibt es einige Kunstwerke zu bestaunen und zu erleben! PS: Dieser Artikel hat selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, hier soll nur eine Auswahl der vielen Kunstwerke gezeigt werden – zur Inspiration. Alle zu entdecken, überlasse ich Euch selbst! Die Interpretationen der Plastiken, Installationen und Wandmalereien stammen vor allem aus dem umfassenden Buch „Kunst trifft Universität“, das auch in den ULB-Standorten Stadtmitte und Lichtwiese für Euch zur Verfügung steht.
Wir starten unseren Rundgang über den Campus Stadtmitte und beginnen ganz klassisch im Innenhof der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB). Ganz unscheinbar am Kopf der breiten Treppe in den Hof steht „Der Lesende“ (Walter Schembs, 2004), eine Plastik aus Bronze. Mit hängendem Kopf und wahrscheinlich recht schlechten Augen erinnert er stark an lange Nächte vor den Endabgaben. Weiter über den Alexander-von-Humboldt-Platz, zwischen ULB und Mensa, dort steht ein monumentaler Block aus rostendem Cortenstahl.
Büste und Roller
Die „Büste“ (Franz Bernhard, 2013) soll in klaren Formen einen menschlichen Oberkörper darstellen, Blickrichtung knapp an der ULB vorbei in den Himmel. Auf dem Karl-Roth-Platz, einem Außengelände der Mensa Richtung Alexanderstraße, finden wir ein weiteres Kunstwerk, das sich schwerlich übersehen lässt: Der „Roller Coaster 2“ (Stefan Rohrer, 2017/18) leuchtet in Signalfarbe, glänzt und schwingt sich dynamisch um eine Straßenlaterne. Was auf dem ersten Blick als eine Warnung gegen alkoholisiertes Fahren wirkt, soll doch eher eine Studie in dynamischer Ruhe darstellen. Ein bisschen versteckt ist „603 Teams“ (Johanna Krimmel, 2021), eine Hommage an den Vorgänger des 806qm (seitlich an der Wand gegenüber des Neubaus). Gitarre, Laser und eine zum Gruß an die Band erhobene Flasche erinnern an wilde Zeiten damals und lassen uns auf eine ähnlich gute Stimmung in der neuen Location hoffen.
Popkultur und Sozialkritik
Einmal um das Darmstadtium herum wird es popkulturell. Umgangssprachlich die „Treppe ins Nichts“ genannt, kommen hier zwei Installationen zusammen. Das Geländer „025“ (Carola Keitel, 2012) wird von einem Schild, das auf eine U-Bahn Haltestelle Richtung Hogwarts verweist, ergänzt. Das stammt jedoch tatsächlich nicht von der Künstlerin selbst, 2016 war es auf einmal einfach da. Kaum ein paar Schritte weiter – zwischen Darmstadtium und Oktagon – steht der neuste Zuwachs des kunstvollen Campus: „Ausrichtung Zukunft“ (Tobias Kammerer, 2022/23) strahlt je nach Sonneneinfall ganz unterschiedlich und soll durch die schwungvollen Farbstreifen die offenen Möglichkeiten der Wissenschaft betonen. Die Interpretation ist uns allen selbst überlassen, aber schön ist das bunte Glas allemal! Weiter gehen wir in den Schlossgraben. In Laufrichtung links finden wir „Pan und Gefährtin“ (Thomas Duttenhoefer, 2010). Die Büste soll eine „lustvolle Einheit“ darstellen, die der Naturgott Pan mit einer scheinbar menschlichen Frau eingeht. Wilde Erotik ist hier aber wirklich Interpretationssache, die Plastik ist also auch für einen Spaziergang mit Kindern und Enkel:innen gut geeignet. Sozialkritischer sieht es auf der anderen Seite des Schlossgrabens aus. Hier ragt „Out of Petrol“ (Georg-Friedrich Wolf, 2021) über vier Meter in die Höhe. 75 leere Kraftstoff- und Wasserkanister bilden ein Mahnmal gegen die Übernutzung fossiler Treibstoffe und unseren hohen Wasserverbrauch.
Leuchtende Botschaften
Weiter geht’s zum Campus Lichtwiese. Begrüßt werden wir hier von „Wortfeld“ (Matthias Berthold, 2019). Das Fassadenkunstwerk besteht zwar nur aus 39 Wörtern – darin Sinn zu finden, kann aber einen ganzen Nachmittag füllen. Hier soll die Fantasie der Betrachtenden durch den Kontrast des freien Wortfelds zur nüchternen Architektur des Gebäudes angeregt werden. Und wen das noch nicht genug fordert, die oder der muss sich einfach umdrehen. Die Lichtinstallation „HLR Lichtenberg1“ (Inna Wöllert, 2017/18) sendet Tag und Nacht leuchtende Botschaften. Hier mischen sich Zitate aus Georg Christoph Lichtenbergs „Sudelbücher“ und in Binärcode abgebildete Rechenprozesse eines Hochleistungsrechners am Campus. Ruhiger geht es weiter entlang der Bahnlinie. In einer kleinen Grünanlage sprießt „Kubenturm“ (Vera Röhm, 2019) wie eine ungewöhnliche Pflanze aus dem Boden. Dynamisch leicht angedreht erscheint die Säule aus jedem Blickwinkel ein bisschen anders. Das lässt sich besonders gut sehen vom kleinen Gußbetonweg aus, der durch die Anlage führt.
Interaktive Architektur
Die wohl beeindruckendste Kunst an diesem Campus liegt allerdings ein bisschen versteckt: Der „Skulpturengarten Lichtwiese“ ist ein Projekt, das seit den 90er-Jahren die Grünflächen um den Campus mit Kunst und damit auch mit Leben füllt. Jeweils in Sichtnähe zueinander sollen die Skulpturen die einzelnen Gebäude des Campus vernetzen, um so der „Anonymität des Neubaugebiets entgegenzuwirken“. Über ein Dutzend Kunstwerke stehen hier, darunter das „Lineare Haus“ (Lautres Ortner, Günter Zamp Kelp, Manfred Ortner, 1985/86). Aufgeteilt in „Treppe mit Dach“, „Flur“ und „Fassade mit Kamin“ erstreckt sich dieses Haus über 400 Meter durch den Landschaftsraum, mit begehbaren Treppen, kleinen Aussichtsplattformen und offenen Fassaden – und erinnert an eine interaktive Architekturvorlesung: Durch die weit verteilten Elemente, die aber ein zusammenhängendes Objekt bilden, soll die Installation das traditionelle Verständnis von Architektur an sich infrage stellen. Auf jeden Fall ein sehr spannender Teil des Rundgangs! Entlang der Hausfragmente liegt ein weiterer Teil des Skulpturengartens. „Arrangement mit großen Tongefäßen“ (Franz Stähler, 1993) macht seinem Namen alle Ehre. Fünf überlebensgroße Vasen erinnern an eine vergessene Ostereier-Suche oder ein erfolgreiches Gelage. Besonders viel Spaß macht es hier, die Vasen von Weitem zu entdecken und bei jedem Schritt näher an sie heran zu merken, wie groß sie tatsächlich sind!
Ihr seht: Es lohnt sich, mit offenen Augen über den Campus zu laufen – egal ob zum ersten, zum letzten oder jedes Mal. Es reicht schon, einfach auf dem Weg zur Mensa kurz stehen zu bleiben oder statt schon wieder in den Herrngarten abends mal zum Chillen auf die Lichtwiese zu fahren. Der größte Vorteil des Außenraums zeigt sich hier ganz deutlich: Er ist für alle da. Und der Eintritt ist frei.
Kunstforum der TU Darmstadt
Wer gerne selbst auf dem Campus künstlerisch aktiv werden möchte, für die und den gibt es spannende Angebote, zum Beispiel vom Kunstforum der TU Darmstadt. Zeichnen bei „Visual diary“, Collagen und Texte erstellen bei „Wunschwerkstatt: Reise ins Ich“ oder Yoga und freies Malen in Kooperation mit dem Unisport-Zentrum: Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt! Alle Infos – auch zur gerade laufenden Ausstellung „Milli Bau. 5000 km bis Paris“ – gibt’s online: tu-darmstadt.de/kunstforum