Alle drei Jahre verwandeln sich Frankfurt und die Rhein-Main-Region mit der Ray Triennale in ein Eldorado für Liebhaber:innen der (künstlerischen) Fotografie. Nun ist es wieder so weit: Ab 3. Mai zeigt die internationale Schau zum fünften Mal an mehr als elf Ausstellungsorten zeitgenössische Fotografien und verwandte Medien zum Thema „Echoes“. Neben Ausstellungen setzen sich auch zahlreiche Events und ein dreitägiges Festival mit Vorträgen, Künstler:innen-Talks und Führungen facettenreich mit dem Medium Fotografie auseinander. Wir stellen die Triennale für Euch vor:
Das Wort „Ray“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „(Licht-)Strahl“. Symbolisch kann dieser Begriff also für das Aufdecken neuer Perspektiven stehen, die die Fotografie im wahrsten Sinne des Wortes erleuchtet. Denn etymologisch bedeutet „Fotografie“ nichts anderes als „mit Licht zeichnen“.
Das Besondere daran ist, dass nicht nur das Motiv, das Offensichtliche, durch das Abbilden von Lichtquellen erscheint, sondern auch soziale, gesellschaftliche und politische Besonderheiten mithilfe der Fotografie subtil aufgezeigt werden können. Diese Vielschichtigkeit der „Sichtbarkeiten“ ist seit 2010 Thema der Ray Triennale, die auf Initiative des Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main ins Leben gerufen wurde.
Kurzum hat sich Ray das Ziel gesetzt, die Kompetenz und Vielfalt der Fotografie in Frankfurt und der umliegenden Region herauszustellen und in Ausstellungen zu vereinen. Seit der ersten Ray 2012 werden alle drei Jahre internationale Werke zeitgenössischer Fotografie und verwandter Medien präsentiert.
Das diesjährige Konzept
In diesem Jahr hat das Kurator:innenteam, bestehend aus Anne-Marie Beckmann (Deutsche Börse Photography Foundation), Alexandra Lechner (freie Kuratorin und Gründerin der Darmstädter Tage der Fotografie), Celina Lunsford (Fotografie Forum Frankfurt) und Matthias Wagner K (Museum Angewandte Kunst), das Thema „Echoes“ ausgewählt. Analog zu den drei Kernausstellungen in der Deutschen Börse Photography Foundation, dem Fotografie Forum Frankfurt und dem Museum Angewandte Kunst wurde dieses Topos in drei Rubriken unterteilt: „Memory“, „Identity“ und „Emotion“.
„Memory“ in der Deutschen Börse Photography Foundation
Mit der heutigen Flut an Bildern, die in den sozialen Medien kursieren und zum Teil mithilfe von künstlichen Intelligenzen erzeugt sind, ist es nicht immer einfach, Fotos auf ihre Echtheit zu prüfen. Schon lange vor dem aktuellen Diskurs rund um KI ist das Thema der Authentizität der Bilder in der Kunstwissenschaft präsent. Die britische Künstlerin Maisie Cousins rekonstruiert beispielsweise in ihrer Serie „Walking back to happiness“ fast schon verlorene, weil nicht fotografierte Kindheitserinnerungen mithilfe künstlicher Intelligenz. Hierbei kommen automatisch Fragen auf, welche Funktion die Fotografie als Erinnerungsträgerin einnimmt und wie sich die Wahrnehmung verändert, wenn sich Erinnerungen nur noch lückenhaft rekonstruieren lassen.
„Identity“ im Fotografie Forum Frankfurt
Mit „Identity“ wird ein weiterer komplexer Strang verfolgt, der von starken Gegensätzen geprägt ist. Ein Wechselspiel zwischen Zuneigung und Ablehnung, Ähnlichkeit und Unterdrückung, Klassifizierung und Selbstermächtigung. Der aus Hong Kong stammende britische Multimedia-Künstler Dinu Li beispielsweise zeigt in der Videoinstallation „The Ghost Orchid Gesture“ seine 93-jährige Mutter in farbenfrohen traditionellen Gewändern durch verschiedene Gärten schlendernd und beleuchtet damit die eigene Familienidentität.
„Emotion“ im Museum Angewandte Kunst
Auch die emotionale Wirkung, die fotografische und medienbezogene Bilder auslösen können, wird genauer untersucht. Es geht unter anderem darum, wie wir bestimmte Situationen und Ereignisse in Bildern erleben und darauf reagieren. Diego Moreno zeigt dies erschreckend auf, indem er Bilder aus seinem eigenen Familienalbum übermalt. Die hier entstehenden Leerstellen machen auf seine eigene Vergangenheit aufmerksam, die geprägt von Misshandlungen, einer streng religiösen Erziehung und Einsamkeit ist. Diese „Überschreibungen“ zeigen, wie eigene Erfahrungen in eine emotionale Interpretation des Gesehenen einfließen.
Die Arbeiten aller ausgestellten Fotograf:innen sollen den Betrachtenden eine „Resonanz zu Fragen der Identität, zur Entstehung von Emotionen und zur Rolle von Fotografie als Erinnerungsträger“ ermöglichen, wie es in der Presseankündigung heißt. Demzufolge kann das diesjährige Leitthema „Echoes“, also „Echo“ oder „Widerhall“, metaphorisch als eine Reflexion verstanden werden, die sich während des Akts des Fotografierens manifestiert. Die Authentizität dieser Bilder bei der Wiedergabe vergangener Ereignisse wird dabei genauso angezweifelt wie die Verlässlichkeit der menschlichen Erinnerung selbst.
Dabei beschäftigt sich die Ray Triennale umfassend mit der Frage: Auf welche Weise leisten Bilder einen Beitrag zum Verständnis unserer Identität, unserer Erinnerungen und unserer Emotionen sowie zur Erfassung und Verarbeitung aktueller sozialer, gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen?
Mit dieser Frage im Gepäck haben zum dritten Mal in Folge auch zwölf Studierende der Hochschule Darmstadt (h_da), der HfG Offenbach, der Städelschule sowie der Kunsthochschule Mainz die Möglichkeit, bei einem intensiven Workshop unter der Leitung des belgischen Künstlers Anton Kusters teilzunehmen und sich künstlerisch auszutauschen. Die „RAY Master Class“ dient zur Förderung junger Talente im Bereich der Fotografie und verwandter Medien. Die Resultate des Workshops sind anschließend im Museum Angewandte Kunst zu sehen.
Letztendlich bietet Ray eine Bühne zum Austausch und gleicht daher einem großen Labor. Bis September kann diese Plattform für selbstreflexive und gesellschaftskritische Fragen genutzt werden und bietet auf unterschiedlichen Vermittlungswegen Anknüpfungspunkte für das Erzählen einer eigenen Geschichte. Denn zu einem Echo gehört immer auch ein Nachhall.
Ray startet!
Begleitet wird das Festival von zahlreichen Vorträgen, Workshops und Führungen. Hier sind die wichtigen Eckdaten:
Do, 2.5., ab 19 Uhr: Eröffnung der Ray Triennale im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt
Fr, 3.5. bis So, 5.5.: Festivalwochenende mit verschiedenen Veranstaltungen im Museum Angewandte Kunst, Museum MMK für Moderne Kunst und Fotografie Forum Frankfurt
Ausstellungslaufzeiten der Institutionen:
Fr. 3.5. bis So, 1.9.: Fotografie Forum Frankfurt und Museum Angewandte Kunst
Do, 30.5. bis So, 22.9.: Deutsche Börse Photography Foundation
Alle weiteren Infos findet Ihr auf: ray-triennale.com
Künstler:innen und Partnerausstellungen
In den Ausstellungen werden Arbeiten und Neuproduktionen folgender internationaler Künstler:innen gezeigt: Mónica Alcázar-Duarte (*1977, MX), Jana Bissdorf (*1987, DE), Sophie Calle (*1953, FR), Maisie Cousins (*1992, GB), Omar Victor Diop (*1980, SN) und Lee Shulman (*1973, GB)/The Anonymous Project, Joy Gregory (*1959, GB), Jesper Just (*1974, DK), Jürgen Klauke (*1943, DE), Anton Kusters (*1974, BE), Dinu Li (*1965, HK), Jyoti Mistry (*1970, ZA), Diego Moreno (*1992, MX), Nicholas Nixon (*1947, US), Mimi Plumb (*1953, US), Johanna Schlegel (*1986, DE) und Inuuteq Storch (*1989, GL).
Ray „Echoes“ ist eine Kooperation der nachfolgenden Partner-Institutionen, die das Thema in eigens kuratierten Ausstellungen und Veranstaltungen um vielfältige Perspektiven erweitern: Deutsche Börse Photography Foundation, Fotografie Forum Frankfurt, Museum Angewandte Kunst, Historisches Museum Frankfurt, KfW Stiftung, Kunstforum der TU Darmstadt, Kunststiftung DR Bank, Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim, Marta Hoepffner-Gesellschaft für Fotografie e. V. zu Gast in der Galerie Hanna Bekker vom Rath, Museum MMK für Moderne Kunst und Nassauischer Kunstverein Wiesbaden.
Das Kunstforum der TU Darmstadt würdigt in seiner Partnerausstellung „Milli Bau. 5000 km bis Paris“ (vom 6.5. bis 27.10.) das Schaffen der Reiseschriftstellerin und Fotografin Emilia „Milli“ Bau. Die Berichte und Aufnahmen der Darmstädterin sind beeindruckende Zeugnisse einer unabhängigen Frau im Deutschland der 50er-Jahre.