Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Eingefasst von sattem Grün schmiegen sich Bessungens Straßen und Gässchen malerisch an Herrgottsberg und Ludwigshöhe im Südosten unserer Stadt. Die Bessunger Kirche schlägt seit dem Jahre 1002 die Stunde, und wer an einem schönen Tag vom Prinz-Emil-Garten durch die Niederstraße zur Orangerie spaziert, kann zwischen herrschaftlichen Gärten, Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäuschen leicht das hier und heute vergessen.

Die ganze Infrastruktur weist darauf hin, dass dieser Stadtteil bis vor relativ kurzer Zeit noch ein eigenes Städtchen war: Erst am 01.04.1888 wurde Bessungen eingemeindet, was viele „Lappings“ heute noch für einen Aprilscherz halten. Denn ein gebürtiger Bessunger ist, obwohl kommunalrechtlich gesehen Darmstädter, natürlich kein „Heiner“; dieser Name ist all denjenigen vorbehalten, die–von Bessungen aus gesehen–jenseits der Heinrichstraße wohnen! Südlich davon verteidigt der „Lapping“ (von französisch „lapin“ = Hase, Kaninchen) trotzig sein Recht auf Autarkie und untermauert dies mit einer Geschlossenheit, die in kaum einem anderen Darmstädter Viertel so vorhanden ist. Der Bessunger spaziert nicht auf der Rosenhöhe, er wandert auf die Ludwigshöh’, den Hausberg mit Aussichtsturm und Ludwigsschenke, bis zum Zweiten Weltkrieg ein groß ausgebautes und weithin beliebtes Ausflugsziel. Spaziert wird zu den Lilien, während sonst alle Welt auf die „Elektrische“ angewiesen ist, um zum Böllenfalltor zu kommen. Geboren wird man im Marienhospital an der Klappacher Straße, schwimmen gelernt wird seit eh und je im Hochschulstadion, gelesen werden die „Bessunger Neue Nachrichten“, gelacht wird in der „Comedy Hall“, getrunken bei Klaus im „Wein Gies“, gefeiert in der Knabenschule, Jazz gehört im Jagdhofkeller und im alten Gewölbe unter dem international renommierten Jazzinstitut. Wenn man jetzt noch die Schulen (Lichtenberg,  Viktoria, Edith Stein, Georg Büchner und Marienhöhe, um nur die Gymnasien zu nennen) mitzählt und Institutionen wie das T.A.P. und die Akademie für Tonkunst, könnte man sich fragen, ob Bessungen wirklich ein Stadtteil von Darmstadt ist oder umgekehrt.

Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Darmstadt willkommen im Äppelwoi-Lokal „Heiping“ (der Name steht eben für „Heiner“ UND „Lapping“), man trifft sich beim „Wein Schlamp“, im „Rühmanns“, im „Pino’s“ oder im Café „Linie 3“, geht gut und teuer essen in der „Trattoria Romagnola“ oder im „L’Orangerie“, sitzt im „Eichbaum-Tresen“ in einem der  gemütlichsten Biergärten der Stadt– und zwar nach Belieben bis ein Uhr Nachts, und selbst weit nördlich der Heinrichstraße finden sich Anhänger der italienischen Steinofen-Pizza aus dem Ristorante „Europa“!

Man könnte noch erwähnen, dass Deutschlands älteste Bäckerei in Familienbesitz (Breithaupt in der Karlstraße, seit 1591!) Spätheimkehrer schon in den frühesten Morgenstunden mit Frischgebackenem versorgt (Eingang direkt in die Backstubb’ über den Hof) und mit den Familienbetrieben Kübler und Krug zwei der ältesten Metzgereien der Stadt nur rund hundert Meter voneinander entfernt seit über hundert Jahren Bessunger und Hessische Spezialitäten zubereiten.

Knabenschul-Punk und Musikstudent

Also: Nach Bessungen passt jeder, vom Knabenschul-Punk bis zum Kirchen-Prälat, vom  Musikstudenten bis zum Lilien-Ultra und von Schauspieler Günter Strack (hier geboren am 04.06.1929) bis zu Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die Ihre Wahlkreis-Wohnung ebenfalls in Bessungen bezogen hat.