Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Sie sind schon in Berlin und Münster aufgetreten, produzieren eigene Songs, organisieren die Veranstaltungsreihe „Dubstadt“ in der Oetinger Villa und haben seit kurzem eine selbstgebaute Sound-Anlage. Und das, obwohl es das mittlerweile sechsköpfige Darmstädter Dub-Soundsystem „Rebelion“ erst seit 2011 gibt. Das P traf Eddi [Ed], Antoine [An], Christian [Ch], David [Da], Addi [Ad] und Rafael [Ra] vor der „Dubstadt 4“-Party.


Nicht nur Euer Team ist sehr jung, sondern oft auch das Publikum: Bei Euren Veranstaltungen finden sich meist viele Teenager im Alter unter 20. Was glaubt Ihr, woher das kommt – und wie steht Ihr dazu?

Ad: Wir freuen uns sehr, dass so viele junge Leute zu uns kommen, auch wenn manche unsere Aussagen und Kultur vielleicht noch nicht ganz verstanden haben. Aber bei vielen sieht man, was die Musik und Atmosphäre mit denen macht und wie wohl die sich hier fühlen. Ich bin optimistisch, dass da vielleicht eine neue Soundsystem-Kultur am Wachsen ist.

Da: Ich habe oft erlebt, dass die Reggae-Szene keinen Nachwuchs hat. Daher finde ich das wichtig, dass hier nicht immer nur dieselben alten Hasen rumsitzen, obwohl auch die bei uns zu finden sind. Die Mischung macht’s!

Ch: All Tribes Welcome!

Was ist Eure Meinung zur Darmstädter Reggae-Szene?

An: Echt vielfältig! Du hast einige Jungs, die Ska und Early Reggae spielen wie DJ Wiggle Waggle oder Shock Travolta, du hast die „Love & Unity“-Partys und „Into The Lion’s Den“-Veranstaltungen in der Knabenschule, den „Reggae Allstar Yard“ im Weststadtcafé, General Motors in der Goldenen Krone [und im Roßdörfer Biergarten] … und natürlich Bands wie Ease Up Ltd. oder Flowtonix. Und wir decken eben die Sparte Dub ab.

Ch: Wenn man das mit Frankfurt vergleicht, ist Darmstadt fast ein Paradies.

Da: Es gibt aber auch andere Städte in Deutschland, die man wirklich Reggae-Städte nennen kann: Münster, Freiburg oder die Gegend um München herum. Da gibt es mehrere Soundsystems, die international gebucht werden …

Ch: … aber wenn ich mir anschaue, wie viele Leute auf Facebook Fotos ihrer neuen Boxen und Anlagen zeigen, habe ich das Gefühl, dass ganz Deutschland vor einem fetten Soundsystem-Revival steht. Die Leute wollen nicht nur irgendwelche Reggae-Musik aus schlechten PA-Boxen, sondern fette Anlagen mit Bässen, die die Magengrube zum Vibrieren bringen, Effekte, MCs [Anm. d. Red.: Sänger]

Da: Auch in der Musik ist ein Umbruch zu beobachten: Der Dancehall hat sehr lange dominiert, aber es geht jetzt wieder weg davon, hin zu Dub.

An: Das Dub-Revival ist auch durch Dubstep entstanden. Viele Leute mögen daher heute auch beim Dub gern diese tiefen Bässe und das Subkulturelle, wobei Dubstep zum Teil heute zum Mainstream geworden ist.

Ch: Dub wird nie zum Mainstream gehören, das wird immer Underground bleiben.

Was sind Eure musikalischen Wurzeln?

Ch: Die Wurzeln von Reggae sind natürlich in Jamaika, wir mögen aber viel englisches Zeug. Von den Genres her ist das sehr vielfältig, von Early Digital zu ganz modernen Sachen.

Ed: Aber auch die neuesten Strömungen im Dub sind nicht von den Roots getrennt, das basiert alles aufeinander. Es gibt da einen roten Faden, den wir gern aufnehmen.

Was wollt Ihr dem Publikum übermitteln? Was ist Eure Botschaft?

An: Musikalisch wollen wir die Vielfalt von Reggae zeigen, indem wir auch Sachen wie Early Digital oder Steppers spielen, die man nicht überall hört.

Ad: Anders als bei den Dancehall-Sounds, wo es oft darum geht, wer der Dickste am Platz ist, ist die Soundsystem-Szene auf einem ganz anderen Vibe unterwegs: Da geht’s darum, zusammen Partys zu organisieren und Musik zu machen, ohne diesen Konkurrenzgedanken.

Ed: Es ist einfach schön, wenn sich durch uns die Leute etwas mehr mit der Musik und Kultur beschäftigen und Respekt haben gegenüber den Musikern und den Veranstaltern: Darum geht’s uns.

Ch: Love, Peace & Unity.

Das klingt zu Teilen fast schon politisch …

Ed: …ist es auch. Schon im Roots-Reggae geht es ja oft um ein kritisches Bewusstsein – das System, in dem man lebt, zu hinterfragen, und wir führen das in unseren Texten weiter.

Da: Das Wort „Consciousness“ [Anm. d. Red.: Bewusstsein] ist im Reggae schon immer sehr wichtig. Unser Name Rebelion kommt übrigens auch nicht von ungefähr [lacht].

In Eurer Szene sind eigene Sound-Anlagen wichtig. Warum?

Ch: Das hat einen geschichtlichen Hintergrund. Auf Jamaika lief kaum Reggae im Radio, weshalb schon in den 1950ern Soundsystems entstanden, um bei Partys die Musik zu hören, die man mochte. Also hat man sich eigene Boxen gebastelt, die auf den Sound zugeschnitten waren.

Da: Klar kann man unsere Musik auch über eine normale PA abspielen, aber das macht eine andere Stimmung.

Ch: Und gerade, wenn man Vinyl auflegt, merkt man auch Unterschiede beim Sound. Würden wir nur MP3s auflegen, bräuchten wir nicht so eine Anlage.

Ed: Außerdem ist ein Soundsystem eine Marke und die Anlage soll individuell sein … wie ein selbstgebautes Instrument.

Wie zufrieden seid Ihr mit der Oetinger Villa als Eurer Homebase?

Da: Ein großartiger Ort mit viel Geschichte!

Ch: Es gibt hier wenige Locations, wo man so viel Freiheit hat. Und von den politischen Gedanken her passt’s auch gut.

Da: Die Organisationsstruktur wäre für andere Veranstalter vielleicht schwierig, für uns ist es genau das Richtige.

Ra: Unsere Gäste sind auch immer beeindruckt.

Was sind Eure Ziele für die Zukunft?

Da: Wir haben mit dem Rootsplague-Soundsystem aus Münster zusammengearbeitet, damit wir uns für den Dezember einen fetten Gast leisten können: nämlich Mungo’s Hi Fi [Anm. d. Red.: schottisches Soundsystem]. Da freuen wir uns ganz besonders drauf!

An: Wir wollen Darmstadt kulturell was bieten, zum Beispiel mit tollen internationalen Soundsystems und spannenden Partys. Und wir wollen unsere eigenen Tunes produzieren und sie national zu Gehör bringen.

Ad: Wir wollen ein Teil des internationalen Dub-World-Systems werden!

Ch: … und am Ende steht die Weltherrschaft! [lacht]

www.rebelionsoundsystem.net