Grafik: Rocky Beach Studio
Grafik: Rocky Beach Studio

Es fällt ja bekanntermaßen schwer, von einer einheitlichen Fankultur am Böllenfalltor zu sprechen. Die Küchen, in denen hier verschiedene Süppchen gekocht werden, kann man kaum zählen. Und wer gar in die Spezialprobleme der Ultras eintaucht, verliert bei deren Befindlichkeiten schnell den Überblick. Dass es derzeit keine einheitliche Ultra-Gruppe mehr gibt, ist irgendwie auch folgerichtig. Erstmal wieder die eigenen Reihen ordnen, in denen die Balance stimmt zwischen Fundis und Hooltras und Fähnchenwedlern und so weiter.

Aber wirklich grotesk ist der neue Schlachtruf des A-Blocks. Wer das Gegröle im Spiel gegen Saarbrücken erstmals hören musste, wollte es erst nicht recht glauben und suchte dann nach einer Pointe: „Lilienschweine, Lilienschweine“ wird dort neuerdings gerufen. Ja, richtig gelesen. Der eigene Fanblock bringt sich, strenggenommen auch die Mannschaft, in einen Zusammenhang mit dem frühesten domestizierten Tier der Geschichte. Normalerweise gehört so ein Wortschatz zum Beleidigungs-Repertoire der gegnerischen Fans, wiewohl die Offenbacher von den Darmstädtern traditionell als Anhänger homophiler Vorlieben begrüßt werden.

So weit, so dämlich. Aber noch dämlicher ist dann doch, wenn man sich selber als Schwein bezeichnet. Jaaaa, gewiss, das soll wohl irgendein brutalironischer Beitrag sein, jaja, nur versteht den keine Sau. Zumal die Ironie auch nicht aufgelöst wird. Der Beitrag hat auch null Humor – etwa wie bei Max Raabe: „Kein Schwein ruft mich an. – Keine Sau interessiert sich für mich. – Solange ich hier wohn‘, – ist es fast wie Hohn, – schweigt das Telefon.“

Pustekuchen. Man hört, und hört, und wartet, und wartet, und wundert sich – aber es kommen immer nur die Schweine. Nie mehr. Und das ist der Kulturbeitrag des A-Blocks im Jahr 2012? Dass es genug Vertreter der anderen Blockparteien gibt, die das befremdlich finden, muss nicht weiter erwähnt werden. Vielleicht braucht es aber nur ein bisschen kreative Anregung, um dem Liedgut am Böllenfalltor einheitliche Klasse zu verleihen. Der Kenner erinnert nämlich die Zeilen, die zu Ehren der Mannschaft geschaffen wurden, die 1973 die Süddeutsche Meisterschaft gewonnen hat. Mit Jockel Weber, Hansi Lindemann und Uwe Ebert. Und einem 7:0 gegen den 1. FC Nürnberg.

Das sind großartige Zeilen, voller Inbrunst, Heimatliebe und argloser Freude am Fußball aus einer Zeit, in der es noch keine Ultras gab, keine Business-Logen, als ein „Topspiel“ noch „Schlager“ hieß und die Männer samstags beim Autowaschen die Bundesligakonferenz am Transistorradio verfolgten. Das holprige Versmaß, das kitschige Pathos – das alles wollen wir nun wirklich mal vergessen. Und sagen stattdessen: Arrivederci, Alberto Colucci.

 

Denn wir singen alle:

Wir haben eine Mannschaft,
nur für uns allein gemacht.
Mit dem Hansi in der Mitte,
ja, das wäre ja gelacht.
Mit dem Jockel auf Rechtsaußen,
und der Uwe steht im Tor.
Alle Hessen auf den Rängen,
ja, sie singen nur im Chor.
Hast Du so was schon geseh’n?
Auweia, das wär’ schön, so schön.
Du kannst nicht alles haben,
den Held, den Overath.
Und trotzdem singen wir auf jedem Breitengrad,
in jedem Fußballstadion, da hat man uns geseh’n.
Und unser SV Darmstadt, wird niemals untergeh’n.
Mach’ Deine Augen auf,
was kann denn schöner sein.
Die Deutsche Meisterschaft
gehört uns nur uns allein.
Und auch der DFB-Pokal
wird immer unser sein.