Nicht nur Darmstädter Kinder lieben es: das Mastodon-Skelett, das nach zwei Jahren Ausleihe an das Smithsonian American Art Museum (unweit des Capitols in Washington) sicher ins Hessische Landesmuseum (HLMD) am Friedensplatz zurückgekehrt ist. Wir begrüßen den „American Heiner“ – pünktlich zur am 25. März gestarteten Sonderausstellung im HLMD – mit einem „Rischdisch (un)wischdisch Spezial“. Relevante und nicht so relevante Fakten über das Darmstädter Urviech: Was Darmstädter Knochen amerikanischen Ursprungs mit Sludge-Metal, Boba Fett und Bier zu tun haben.
Ein Mastodon … zwei Mastodons?
Eigentlich gibt es keine Mastodons. Das liegt zum einen daran, dass der Plural von Mastodon Mastodonten lautet, zum anderen ist diese Bezeichnung für eine Überfamilie der Rüsseltiere nicht mehr gebräuchlich. Stattdessen spricht man von Mammutiden. Sie waren über die gesamte Alte Welt bis nach Amerika verbreitet und starben dort erst zum Ende des Pleistozäns vor circa 10.000 Jahren aus. Der Name Mastodon leitet sich aus dem Griechischen μαστός (mastos, „Zitze“ oder „Brust“) und οδον (odon, „Zahn“) her und bezieht sich auf den besonderen Zahnaufbau. Der etwas merkwürdige Name geht auf den französischen Naturforscher Georges Cuvier zurück, der den Begriff „Zitzenzähner“ für diese Verwandten der Elefanten prägte.
Danke, Johann Jakob Kaup!
Das Darmstädter Mammut ist eigentlich ein Amerikaner aus dem Bundesstaat New York. 1801 sicherte sich der damals auch durch seine Porträts der Gründerväter bekannte Maler Charles Willson Peale die Grabungsrechte an der durch Ausschachtungen entdeckten Fundstelle am Hudson River nahe Montgomery, New York. Die ausgegrabenen Knochen ergänzte er durch Holz- und Pappmachékonstruktionen, um sie im eigenen Museum als „das größte Wesen, das je auf Erden lebte“ zu präsentieren. Nach finanziellen Schwierigkeiten wurde das Museum von Zirkuspionier P.T. Barnum übernommen – bis es 1851 ausbrannte. Lange glaubte man, auch der Mammutide wäre den Flammen zum Opfer gefallen. Tatsächlich wurde das Skelett unauffällig nach Europa verschifft, um es dort gewinnbringend zu verkaufen. Das stellte sich als unerwartet schwierig heraus – und so konnte der Darmstädter Paläontologe und Zoologe Johann Jakob Kaup das etwa 3,50 Meter hohe Skelett des Mammut americanum im Jahre 1854 für nur 1.200 Gulden erwerben. Kaup besuchte mit Justus von Liebig und Georg Gottfried Gervinus die hiesige Lateinschule Pädagog, verdingte sich als Tierpräparator und wurde 1825 als Assistent am Museum in Darmstadt angestellt – der Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere. Seine Stadt hat ihn nicht vergessen, Kaups Grabstelle ist heute noch auf dem Alten Friedhof in Darmstadt zu finden (Grabstelle: I Mauer 160). Noch in seinem Todesjahr 1873 wurde die bis heute existierende Kaupstraße nach ihm benannt.
Staatsfossil und Namensgeber
Das Riesenmastodon (Mammut americanum) ist Staatsfossil von Michigan. Das Amerikanische Mastodon war eine höchst erfolgreiche Tierart, die Millionen von Jahren überlebte. Es widerstand selbst der Konkurrenz durch die später eingewanderten Mammuts und lebte lange Zeit neben ihnen. In der Region Iron County (Bundesstaat: Utah) im mittleren Westen der oberen Halbinsel Michigans liegt Mastodon Township, eine 1885 gegründete Zivilgemeinde mit ziemlich genau 668 Einwohnern (im Jahr 2000). Hier findet sich auch die Mastodon Road und der Mastodon Creek. Einer lokalen Legende nach wurden beim Ausschachten einer Mine Mastodon-Knochen entdeckt, was zur Namensgebung führte. Über den Verbleib dieses Mammut americanum ist nichts bekannt. Auch in Dona Ana/New Mexico gibt es eine Siedlung namens Mastodon.
Pommesgabel!
Mastodon nennt sich auch eine im Jahr 2000 gegründete US-amerikanische Sludge-Metalband aus Atlanta/Georgia. Wie es dazu kam? Gitarrist Bill Kelliher trägt den „Schädel von einem Rüsseltier“ – das übrigens auch auf Boba Fetts Rüstung prangt – als Tattoo. Sänger Brent Hinds fragte Bill, wie das Tier denn heiße und der antwortete: „Mastodon.“ Der Rest ist Geschichte. Im „Star Wars“-Universum, auf der Rüstung von Boba Fett, prangt allerdings ein Mythosaurus, eine der riesigen Kreaturen von Mandalore, die von den dortigen Bewohnern gezähmt wurden, um als Reittiere zu dienen. Der Entwurf zu dem Abzeichen stammt von Nick Gindraux und findet sich häufiger in der mandalorischen Ikonografie. Die Band Mastodon hat in Zusammenarbeit mit verschiedenen Brauereien bislang vier Biere auf den Markt gebracht. Zum Beispiel braut die Bamberger Brauerei Mahrs „Mastodon Bier“, ein unfiltriertes Amber Lager mit 5,2 Prozent. Recherchen in der Darmstädter Musikszene ergaben: Es gibt zwar verschiedene Bands ähnlicher Stilrichtungen, aber niemand aus Darmstadt covert die komplexen Mastodon-Songs. Recherchen im World Wide Web ergaben: Der niederländische Drechsler Ronald Kanne hat sich – aus einer Bier-Laune heraus – eine sehr solide, massiv große Drechselvorrichtung für Holzschüsseln gebaut, die er „Mastodon“ nennt. Crazy.
Mastodon-Mikroblogging
Auch ein twitterähnlicher Mikroblogging-Dienst, 2016 von Eugen Rochko aus Jena entwickelt, nennt sich Mastodon. Kurznachrichten heißen hier „Tröts“. Verschiedene offizielle Stellen in Deutschland nutzen Mastodon als datenschutzkonforme Alternative zu Twitter.
Die Ausstellung „American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte“ im HLMD
Mehr zur vom 25. März bis 03. Juli laufenden Sonderschau im Landesmuseum, bei der unser Lieblings-Mastodon die Hauptrolle spielt, erfahrt Ihr in unseren Kunst-Highlights auf Seite 38 der aktuellen Print-Ausgabe.
Den Audio-Guide zur Ausstellung hat übrigens kein Geringerer als Schauspieler Sebastian Koch eingesprochen, dessen Karriere, die ihn bis nach Hollywood führte, 1986 bis 1990 am Staatstheater Darmstadt startete.
Und in der neunten Folge des Museumspodcasts „Das Grüne Sofa“ geht es passender Weise um „American Heiner – Darmstadt als frühes Zentrum der Paläontologie“: Prof. Dr. Friedemann Schrenk, Leiter der Sektion Paläoanthropologie am Senckenberg Forschungsinstitut, ist im Gespräch mit Dr. Oliver Sandrock, Kurator für Fossile Wirbeltiere am Landesmuseum. Online anzuhören auf: hlmd.de