Gerne schreibe ich diese Kolumne und lasse mich dabei treiben, wohin auch immer. Heute umschippern wir gemeinsam die Klippen der Anständigkeit. Und wer diese mit mir als Lotsen bereist, weiß: „Der Skipper kennt den Weg seit Jahrzehnten.“
Gerne wird hervorgehoben, dieses oder jenes geschehe ohne empor gehobenen Zeigefinger. Ich aber zeige gerne gar den erigierten Zeigefinger, denn wer mit dem Zaunpfahl winkt, erreicht zumeist nur die Nachbarschaft! Neulich war ich dienstlich einige Tage auf einer Messe in Frankfurt. Die gottlob mit vollen Händen ausgesäte Freizeit zwischen den Arbeitseinsätzen versüßten meine Kollegen und ich uns mit einem von mir auf dem Heinerfest er-ringe-worfenen, ferngesteuerten Motorboot. Eine Pracht, dieses stolze, einem Schnellboot in Optik, aber nicht Höchstgeschwindigkeit nachempfundene Schiff über das zur Erbauung der Messebesucher künstlich angelegte Gewässer schippern zu sehen.
Wir umrundeten selbstgebastelte Bojen, passierten Fontänen, und – als wir das Schiffchen besser im Griff hatten – wurden kleine Styroporquader über bestimmte Distanzen getrieben. Okay, kurz haben wir auch das Entenpärchen verfolgt – aber nur kurz.
Über Nacht ging das Boot fein am Beckenrand vor Anker, überlebte dies auch gut. Aber in der nächsten Mittagspause war es weg! Nicht etwa fortgetrieben, nein gestohlen! Das Boot war weg, sein aus Stein und Kordel gebastelter Anker lag mahnend am Ufer. Mich mahnend, das Boot doch nicht so riskant auf das Gute im Menschen vertrauend so lange unbeaufsichtigt zu lassen – wahrscheinlich. Da stand ich nun mit den Kollegen, die Fernbedienung in der Hand, enttäuscht und zornig. Jeder weiß, wozu Menschen heutzutage in solchem Zustand in der Lage sind. Sechs Walkmanbatterien hatten wir kaufen müssen, damit das Ding fährt. Nun waren wir alle in der Stimmung, jede einzelne dieser dem gemeinen Vollidioten als Zäpfchen da hineingleiten zu lassen, wo er sich von mir aus nun auch das ganze Miniatursportboot stecken kann!