Ich bin ja ein erklärter Freund der Arbeiterklasse. Nichts gegen den Arzt oder Architekten, aber einen in jüngsten Jahren von der Pike auf erlernten handwerklichen Beruf 200 Frühlinge, Sommer, Herbste und Winter auszuüben, ringt mir Anerkennung ab – und nicht nur das.
Die bisweilen perfide eingestreuten, weltverbesserischen Unter- und Zwischentöne meiner Kolumnen, seien wir ehrlich, kommen aber selten in die Hände Arbeitender. Es liest doch besonders gerne der Student das P, denn selbiger hat ja abends kein Fußballtraining, oder Ringen, sondern Zeit zum Ausgehen. Gönne ich ihm. Irgendwo muss man ja eventuell Frauen kennenlernen können. Ansonsten ist es für die Studenten, welche ich bei vielen, vielen innerstädtisch zurückgelegten Straßenbahnkilometern zu beobachten vermochte, nicht leicht. Sie kennen nur ein Thema: ihr Studium und dessen Inhalte! Diese Tausenden von vornehmlich Herr(!)schaften sind dermaßen auf ihr Fachgebiet spezialisiert, dass eine Ausgrenzung nicht ausbleibt. Ich bezweifle, dass bei Eisenbahnschwellenlegern, Küfern, Kunststoffformgebern oder Bäckern – auf deren Heimweg oder hin zur Firma – immer nur über die Arbeit gesprochen wird. Ordentliche Themen wie Fußball und Weiber führen da meines Erachtens die Gesprächslisten an. Bestimmt auch mal ein Rezept oder ein besonders schön gedengeltes Stück Eisen, ja, aber nicht so oft.
Nicht so oft wie die guten Arbeiter sind auch die bösen Studenten der Obhut Erziehender ausgesetzt gewesen. Wer Studenten beim Essen zusehen muss, weiß dies. Da die Eltern weit entfernt leben und nicht gerade jung geheiratet wurde, ist keiner da, der einem sagt, er solle doch bitte mit Messer und Gabel essen und, so die zweite Hand nicht gebraucht wird, diese neben den Teller ablegen – und nicht in den Schoß oder telefonierend ans Ohr. Man verroht in der Anonymität der Hörsäle, Mensen und Erstsemesterpartys. Drum, da mein geisteswissenschaftlicher Einfluss auf die Arbeiterklasse zu gering ist, gebiete ich den Studierenden: Setzt Euch gerade hinter jedwedes Mahl, welches Ihr einzunehmen gedenkt – und nachdem Ihr aufgestanden seid, schiebt Gottverdammtnochmal Euren Stuhl zurück!