Angeschimmelt I März 2012
Foto: Laura Morche

Anfang Februar 2012: Aus dem hinterletzten Raum des ziemlich verwinkelten Kellergeschosses der Oetinger Villa dringt infernalischer Lärm. Ein kleiner, robuster Kerl stampft von einer Seite zu anderen und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Im Hintergrund prügeln seine drei Kollegen der französischen Band Cavaliire derart brachial auf ihre Instrumente ein, als hätten sie vorher literweise Tabasco gesoffen, um ihrem Zorn den nötigen Brennstoff zu liefern. Der Sänger ringt nach Atem, das Publikum auch. „Chaos-Core“ steht auf dem Plakat. Trifft es ganz gut.

Eine derart imposante Wucht ist eigentlich die bestimmende Maxime bei Konzerten der Angeschimmelt Youth Crew (AYC), einem losen Haufen von derzeit rund einem Dutzend Mitstreitern, die seit Ende 2010 regelmäßig Veranstaltungen im Kulturzentrum Oetinger Villa organisieren. Und das mit zunehmender Besucher-Resonanz aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet, da vermehrt internationale Bands oder Genre-Größen wie Turbostaat oder Saalschutz den Weg nach Darmstadt finden.

„Die Villa bietet ziemlich optimale Bedingungen, um selbstbestimmt und mit relativ geringen Kosten Konzerte eher weniger beachteter Genres zu veranstalten“, meint Chris Richter (24), der mit Matin Nawabi (24) und Achim Grube (30) zum engeren Organisationsteam der AYC gehört. Diese ist nur eine von vielen künstlerischen, politischen und musikalischen Gruppierungen, die sich unter dem Dach der Villa tummeln . „Uns eint die ehrenamtliche Arbeit und nicht-kommerzielle Ausrichtung, daher hilft man sich gegenseitig“, sagt Nawabi.

Die musikalische Gangart der AYC-Konzerte ist (mit Ausnahmen wie Post-Rock und Songwriter-Musik) meist härter – es fallen Begriffe wie Sludge, Doom, Screamo oder Crust. Was für die Allgemeinheit wie Böhmische Dörfer klingt, sind letztlich makantere Verzweigungen von Punk, Hardcore und Metal. Sicher nicht jedermanns Sache und weit ab vom Mainstream, aber in der Konsequenz und Intensität umso beeindruckender und authentischer. „Und es geht uns um mehr“, sagt Nawabi, „wir sind der Meinung, dass wirklicher Punk und Hardcore nicht nur Lifestyle ist, sondern mit einem bestimmten politischen Verständnis einhergehen sollte. In unserem Web-Blog angeschimmelt.blogsport.de haben wir das näher erklärt“. Das klingt erst mal streng, ist aber wichtig, um sich in der nicht immer ganz einheitlichen Szene klar zu positionieren.

Ansonsten bevorzugen die AYC-Leute eher eine unverkrampfte und humorige Einstellung, was ja nicht zuletzt der Gruppenname beweist. „Das ’Angeschimmelt’ haben wir von einer Vorgängergruppe übernommen. Keine Ahnung, ob die das auf Küchenreste in der Villa bezogen haben, aber man kann es sich zumindest gut merken“, schmunzelt Achim Grube. Im März letzten Jahres veranstalteten sie ihr erstes größeres Festival –und waren prompt ausverkauft. Jetzt folgt am 17. März in Zusammenarbeit mit dem AStA der TU Darmstadt das zweite Festival – mit sieben Bands und einem großen Rahmenprogramm samt Vorträgen. So etwas wie eine Werkschau der AYC.

www.oetingervilla.de