Foto: Privat ;)
Foto: Privat

Als Jimi 1957 – da waren die meisten P-Leser noch nicht einmal geboren – aus dem tristen Bad Nauheim nach Darmstadt kam, ursprünglich nur für die paar Jahre des Studiums, trug er noch keinen Künstlernamen – der flog ihm erst Anfang der Sechziger zu, nachdem sein linkes Ohr den Dienst eingestellt hatte. Und auch die zahlreichen Bands, Projekte und Gastronomiebetriebe, mit denen er in den nächsten Jahrzehnten die Subkultur der Stadt prägen sollte, waren noch weit entfernt. Der heute 76-jährige Lebenskünstler lebt zwar inzwischen zurückgezogen in Mühltal, das war für das P aber kein Hindernis, ihn aufzuspüren und zur Musik seiner Erben zu befragen.

 

The Satelliters „Unknown State (of Mind)“

„Wylde Sixties Psounds“ von der aktuellen EP der psychedelischsten und (international) umtriebigsten Garagen-Rocker der Stadt.

Sin des die Kinks? Nee? The Marmalade? The Creation? Au net?

Nein, das ist eine aktuelle Band aus Darmstadt, die Satelliters – seit den frühen Neunzigern im Auftrag der Sechziger unterwegs…

Solsche Bands ham bei uns aach immer gespielt, die Räddles, die Monks, solche Jungs halt.

 

Guru Guru „Der LSD-Marsch“

Weltbekannte Hippi-Krautrock-Band aus dem Odenwald um Drummer Mani Neumeier, gleichzeitig Organisator des legendären Finkenbach-Festivals.

[Wie aus der Pistole geschossen] Ha! Guru Guru, LSD-Marsch! Erkenn’ ich desdeweesche gleich, weil isch bei dem Song auf dem allerersten Festival vom Mani in Finkenbach [1976, Anm. d. Red.] auf de Flöt’ mitgespielt hab’. Natürlich kann ich gar kei Flöt’ spiele. Die Zuschauer warn aber all so zugedröhnt, dess die des gar net gemerkt hawwe. Hatte mir’n Spass …

 

The Dass Sägebett „Ich, lackiere & Fingernägel (auf der Champs Ellysees)“

Seit 1988 umtriebige Avant-Hard-Truppe um P-Kolumnist Gerry und Krone-Steinmetz Hardy, hier mit einem Stück von ihrer 2006er Vinyl-10-Inch „Reitstunde fällt aus“.

Hmm … klingt anstrengend – und soll’s wohl aach.

Es gibt nicht viele Bands aus Darmstadt, die da infrage kommen, oder?

Mir würd’ da nur des Sägebett einfall’n.

Volltreffer!

Soll ich euch ma was verraade? Die war‘n ja ursprünglich ’ne reine Schüler-Coverband, hießen „The Saws“ oder so ähnlich, und ham nur so Hitparadenkram nachgespielt. Ich hab se dann ma in de Krone geseh’n und hab ihne g’sagt: „Jungs, so habt ihr nie Erfolg. Macht mal was Eigenes, so ein bisschen schräger.“ Ich hab die Kerle sozusagen auf Kunstband umgeschult, als de Andy Warhol von Heinertown, ha ha …

 

Kackophonia „Die Zeit ist reif“

Die Hausband der lokalen Polit-Punks von Uffbasse, mit Ex-OB-Kandidat Jörg Dillmann am Gesang.

Oh, der Punkrock. Da habb isch net mehr so aktiv mitgemischt, da kenn’ isch eischentlich nur die Arschgebuiden vom Dillmann.

Du bist nah dran. Das ist Kackophonia, die aktuelle Band von Jörg.

Ach, geh fort! Des is de Jörgi? Isch brech ab! Isch kann mich noch erinnern, wie der von ’nem Freund von mir seine erste Tätowierung gekriegt hat. Mann, was hat der geweint. Der hat mir richdisch leid getan.

 

Eight Miles High „Tribute to Peter v. Zahn“

Eines der vielen Pseudonyme des elektronischen Wizards Roman Flügel (mit Jörn Wuttke zusammen Alter Ego und Sensorama), hier mit einem Tribut an den „Bilder, die die Welt bewegten“- ZDF-Vorabend-Reporter, von ihrer 1996-er-Klang-EP.

Is des was Neues? Klingt wie des Zeusch, was bei uns damals in de „Absteige“ gelauwe is [„Jimis Absteige“, illegaler Kellerclub im Martinsviertel in den späten 1960ern, Anm. d. Red.]. Da kaame dann auch die Frankfurter, de Joschka und die annern, und hawwe ordentlich aane druffgemacht. In dem neue Film da [„Baader-Meinhof-Komplex“, Anm. d. Red.] gibt’s ’ne Szene, da sagt de Baader: „Wir fahr’n jetz’ nach Darmstadt, Putz machen.“ Was glaabste wohl, wo die hiegefahr‘n sind? Erst ins „Underground“, dann in die „Absteige.“ Na ja, wie das geendet hat, wisse mer ja … [die „Absteige“ wurde 1971 nach einer Polizei-Razzia geschlossen, Anm. d. Red.]

 

Elvis Presley „Wooden Heart“

Zum Abschluss muss natürlich der King her! Dass Jimi „Wooden Heart“, die 1960er-Presley-Version des schönen Volksliedes „Muss i denn“, erkennen würde, stand außer Frage. Aber wir wollten unbedingt die dazugehörige Story hören.

Ach, des is der König, klar. „Muss i denn“ [singt mit]. Des war einfach.

Wir haben Dir die Nummer aus einem ganz bestimmten Grund vorgespielt …

Ich weiß gar net, welschen Du maahnst … [grinst]

Na, lass Dich nicht so bitten und erzähl’ die Geschichte, bitte!
Also gut: Als de Elvis damals bei de Army war, da war isch häufiger in Bad Nauheim [Der King war von 1958 bis 1960 in Friedberg stationiert, wohnte aber in der Villa Grunewald in Bad Nauheim, Anm. d. Red.] Und ich hatt’ mir in de Kopp gesetzt, dass ich ’n Konzert für ihn in Darmstadt ausmach’. Und über ’n Freund, der für die Amis gearbeit’ hat, hab isch’n tatsächlich überredd’, mit mir nach Heiner City zu komme. Und isch schwör’ Eusch: Er hätt’ hier aach gespielt, wenn’s net grad ’n Montach gewese wär!

Sicher, Jimi …

Wenn ihr’s net glaabt: Es gibt sogar’n Foto, wo wir beide am Luiseplatz steh’n. Das hat mei Freund gemacht. Ich such’s Eusch raus!

Wir bitten darum!

[hört weiter zu] Aber des is doch escht’n schönes Liedche, muss isch sage. Vielleicht hat de Elvis ja sei Liebe zum „Deutschen Liedgut“ hier in Darmstadt entdeckt…

 

Fazit:

Meist besteht so ein Hörspiel ja aus acht oder mehr Songs, aber bei Jimi war natürlich zu erwarten, dass wir so viele nicht unterbringen können. Wer sonst kann mit so einem reichen Schatz an Geschichten, von Jörg Dillmann bis Elvis, aufwarten? Wir haben uns jedenfalls sehr gut unterhalten – und deshalb sind wir auch nicht erbsenzählerisch und gucken, wie viele Songs Jimi erkannt hat. Es war uns eine Ehre, Jimi!