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Foto: Jan Ehlers

Kann man selbst einen funktionierenden Kulturbetrieb auf die Beine stellen? Können 80 Leute ein gemeinsames Ding am Laufen halten? Und kann man dabei auch noch Spaß haben? Yes, man kann. Schon sechs Jahre lang. Wichtige Voraussetzung: Kommunikationsfreude.

Für alle, die die Geschichte des 603qm noch nicht kennen, hier die Story im Schnelldurchlauf: 1997 regt der damalige Hochschulpräsident Wörner an, die alte Halle der Maschinenbauer als Veranstaltungszentrum für Studierende zu nutzen. Sein Dezernent hat ihn darauf gebracht. „Gute Idee“, sagen die Studierenden, und finden sich zum Arbeitskreis (AK) Stoeferlehalle zusammen. 1999 gibt’s die ersten Veranstaltungen, die auf die Halle und das Projekt aufmerksam machen. Im Jahr 2000 entwickelt die Planungsgruppe L.i.s.a. (league for instant architecture) das architektonische Konzept, 2003 steht dann auch das Konzept für Nutzung und Grafik. Im Juni 2003 geht das 603qm offiziell an den Start, es wird durch den Arbeitskreis als gewerbliches Referat des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) koordiniert und durchgeführt.

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Foto: Jan Ehlers

Open Doors

Das 603qm ist ein offenes Kulturprojekt. Mitmachen kann also jeder – der sich ehrenamtlich einbringen möchte und sich nicht vorm Diskutieren fürchtet. Denn geredet wird viel im Arbeitskreis Stoeferlehalle: Hier gilt das Konsensprinzip. Gemeinsam wird entschieden, was wie gemacht wird und dabei sollen sich immer alle einig sein. Aber Entwarnung: Nicht alle der rund 80 Leute sind ständig dabei, nur 30 arbeiten zur Zeit aktiv im AK, und davon kommen vielleicht 10 zu den Sitzungen. Heikki, einer der fünf Geschäftsführer, beschreibt das so: „Auch wenn sich jemand mal ein Jahr lang nicht engagiert, ist das okay. Jeder bringt sich ein, wie er möchte.“ Dass sich mit diesem offenen Konzept so einiges auf die Beine stellen lässt, zeigt die Referenzliste: In den letzten sechs Jahren gab’s rund 1.440 Kulturveranstaltungen – Konzerte, Uni-Partys, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Filmabende und etliche andere Events.

603qm = 109qm + 218qm + 231qm + 45qm

Bezeichnend für das 603qm: Das Konzept der Nutzflächen. Das Spiel mit der Vermaßung und den Zahlen entwickelten zwei Mitglieder des Arbeitskreises, die damals noch studierten und heute ihre eigene Agentur betreiben: Kraenk Visuell. Sie kreierten die 603-Schrift, aus der sich heute noch alle Grafiken generieren. Und überall in der Halle taucht die Idee auf – „4,70m“ am Vorhang, „4,31°“ am Kühlschrank und natürlich die „qm“ an den Wänden, die die Hallenflächen angeben. Dieses Konzept findet vor allem unter Gestaltern viel Beachtung, es gibt Berichte in Fachzeitschriften und diverse Preise haben die Darmstädter mit Sitz in Mühltal damit auch schon gewonnen. Die Kreativen schwärmen von der tollen Zusammenarbeit: „Wir haben viel Freiraum. Und wir sind mit viel Herzblut dabei“.

Großer Einsatz für kleines Geld, aber mit enormem Spaßfaktor – das gilt für das ganze 603qm-Team. Wenn man das auf Dauer gut finden will, dann muss die Crew stimmen. Und so hört man von den 603qm- Leuten auch immer wieder, wie wichtig ihnen das „tolle Team“ ist. Rund 40 Leute kümmern sich um das Daily Business, aktiv im Theken-Team, dem Technik-Team oder als Geschäftsführer. Und alle haben sich lieb! Ja, ein bisschen stolz sind sie natürlich auch, die 603qmler, auf das, was sie erwirkt haben. Dürfen sie.

Besser, größer – und trotzdem authentisch?

Fragt man nach den Entwicklungen der letzten Jahre, dann nennen die 603qm-Leute zwei wichtige Punkte. Der erste betrifft die internen Abläufe: „Wir sind souveräner geworden, die großen Veranstaltungen sind nicht mehr automatisch so stressig“, sagt Manu, Leiter des Technik-Teams und Geschäftsführer. Mit der Zeit werden die Prozesse eben immer strukturierter, eine gewisse Routine macht die Sache entspannter. Und das heißt auch: Man traut sich mehr – und so eröffnen sich neue Möglichkeiten. Der zweite Punkt betrifft die Außenwirkung: Die Halle hat sich bei Gästen und Künstlern einen guten Ruf erarbeitet. „Früher haben uns die Künstleragenturen kaum beachtet“, erzählt Heikki, „und heute treten auch Szenegrößen bei uns auf – wie zum Beispiel Alter Ego, an unserer Geburtstagsparty.“ Die Künstler scheinen zu wissen, dass sie im 603qm allerliebst bekümmert werden: Sie bekommen lecker gekocht, werden herzlich betreut und man verbringt lustige Abende zusammen.

Die Gäste machen die Party

Also alles bestens? Es gibt eine Sache, die diesen Friede-Freude-Eierkuchen trübt. Denn mit dem Erfolg steigt auch die allgemeine Aufmerksamkeit. „Früher war alles ein bisschen mehr Anarcho. Da hat keiner nach uns geguckt“, beschreibt es Manu. „Heute müssen wir auf viel mehr achten.“ Kann Subkulturelles überhaupt auf Dauer in einem offiziellen Kulturbetrieb präsentiert werden? Bisher kriegen sie es im 603qm gut hin – und haben sich ihren studentischen Charme bewahrt. Aber: Mehr Veranstaltungen, mehr Gäste, das heißt eben auch mehr Lärm, mehr Scherben auf dem Bürgersteig. Kommunikation steht also nicht nur intern an erster Stelle, gute Nachbarschaft ist für die Halle wichtig. Im Mai-Programm deshalb auch ein ernst gemeinter Aufruf: Damit es keinen Ärger gibt, müssen die Gäste ein bisschen mithelfen. Also draußen weniger rumkrakeelen, nicht einfach irgendwo hinpinkeln, keine Flaschen auf dem Heimweg zerdeppern – sollte aber nicht so schwer sein, oder?

Entsprechend auch die Wünsche der Macher für die Zukunft: Dass dieses Kulturprojekt weiterhin so gut unterstützt wird. Von den Gästen, von Kraenk, vom AstA, von den vielen ehrenamtlichen Aktiven. Manu von der Technik hat aber auch noch Wünsche, die sich mit Geld erfüllen lassen würden: „Neue Fenster wären super. Wegen der Lautstärke. Und eine eigene Live-Anlage, dann wären die Konzerte leichter zu finanzieren.“ Und wo er schon mal dabei ist, fällt ihm noch mehr ein: „Vier Kettenzüge könnten wir gebrauchen, um die Traversen hochzuziehen…“ Tja, da wird wohl erst mal nix draus. Aber abgesehen davon sind sie glücklich, die 603ler – und freuen sich auf ihre Geburtstagsparty. Das P sagt: Gut gemacht!