Foto: Nouki Ehlers, nouki.co

Die Spielzeit 2022/23 befindet sich in der heißen Phase. In den nächsten Wochen klärt sich endgültig, wer in die Bundesliga aufsteigen darf und wer die 2. Bundesliga nach unten verlassen muss. Die Lilien haben sich in den vergangenen Monaten ganz oben festgesetzt. Eines der Spitzenteams wird am Ende jedoch in den sauren Apfel der Relegationsspiele beißen müssen. Diese sind ein Ärgernis, wie die Bilanz der seit 2009 wieder durchgeführten Entscheidungsspiele zwischen dem Dritten der 2. Bundesliga und dem 16. der Bundesliga zeigt. Denn hier gibt es ein krasses Missverhältnis.

Erinnern wir uns doch kurz an das Saisonfinale der vergangenen Saison. Am letzten Spieltag hatten die Lilien noch Chancen, auf Platz zwei zu springen und direkt aufzusteigen oder den Relegationsplatz zu erklimmen. Da die Konkurrenz aber nicht mitspielte – sprich keine Punkte liegen ließ – blieb den 98ern der Aufstieg verwehrt, und auch die Duelle gegen den 16. der Bundesliga fanden ohne den SVD statt. Stattdessen durfte sich der HSV mit der Hertha messen und scheiterte trotz Hinspielerfolg in Berlin aufgrund einer Heimspielpleite gegen die zuvor in der Bundesliga desolat aufspielenden Hauptstädter. Im Jahr davor blieben die in der 2. Liga begeisternden Kieler (die auch die Bayern aus dem Pokal geworfen hatten) saft- und kraftlos in der Relegation gegen Köln hängen. Und wiederum nur ein Jahr zuvor scheiterte Heidenheim denkbar knapp an sehr verunsicherten Bremern, die dann in der darauffolgenden Spielzeit direkt abstiegen.

Flaschenhals in die Bundesliga

Man muss schon zurück ins Frühjahr 2019 gehen, um auf den letzten Zweitligisten zu stoßen, der sich in der Relegation durchsetzen konnte. Union Berlin kegelte – dank damals noch existenter Auswärtstorregel – den VfB Stuttgart aus dem Oberhaus. Jahr für Jahr gleichen sich die Szenen. Eine Spitzenmannschaft der 2. Liga trifft auf einen Bundesligisten, der die Saison zumeist mit Pleiten, Pech und Pannen hinter sich gebracht hat. Und dennoch gelang es seit der Wiedereinführung der Relegationsspiele zur Spielzeit 2008/09 in 14 Duellen bislang nur drei Zweitligisten, die Oberhand zu behalten: Nürnberg 2009, Düsseldorf 2012 und Union 2019. Die nominell und finanziell besser aufgestellten Erstligisten verstehen es zwar oft mehr schlecht als recht, die Duelle für sich zu entscheiden, aber sie tun es am Ende eben doch. Ein frustrierender Fakt für alle drittplatzierten Zweitligisten.

Die Relegationsspiele sind somit ein Ärgernis für die 2. Liga. Denn letztlich wurde ihnen ein fixer Aufstiegsplatz genommen. Im Gegenzug gab es dafür statt vier nur zwei direkte Abstiegsplätze in die 3. Liga. Zusätzlich muss sich der Tabellen-16. in zwei Relegationsspielen gegen den Dritten der 3. Liga behaupten. Wer wüsste das als Lilienfan nicht? Stichwort Bielefeld. Was bleibt, ist dennoch ein über die Relegationsspiele entstandener Flaschenhals in die Bundesliga. Die Erstligisten betreiben mit ihnen eine Art Besitzstandswahrung. Sie werden zu einem immer exklusiveren Zirkel und hängen über die üppigeren TV-Gelder die Zweitligisten noch mehr ab. Die Duelle der Erst- gegen die Zweitligisten werden somit immer ungleicher. Wer die nackten Zahlen vergleicht, der wird feststellen, dass der Marktwert der Kader der Bundesligisten in den vergangenen Relegationsduellen immer ein Zigfaches über dem der Zweitligisten lag. So überwiegt dann in den beiden Duellen eben doch die Qualität des Bundesligisten, die letztlich die Oberhand über deren eigentliche sportliche Verunsicherung behält. Der Erstligist erhält jedenfalls eine zweite Chance, den Abstieg zu vermeiden, während der sportlich erfolgreiche Zweitligist die Entscheidungsspiele als Strafrunde empfinden muss.

Drittplatzierte Aufsteiger de facto konkurrenzfähig

Dabei sind die Zweitligisten – trotz der schlechten Quote in den Relegationsduellen – durchaus konkurrenzfähig. Die 2009 aufgestiegenen Nürnberger hielten sich anschließend fünf Spielzeiten im Oberhaus. Die 2012 aufgestiegenen Düsseldorfer mussten zwar ein Jahr später wieder runter, doch die vor vier Jahren siegreichen Eisernen aus Berlin spielen inzwischen munter in der Spitzengruppe der Bundesliga mit. Und auch wer weiter zurück in der Historie geht, stellt fest, wie gerechtfertigt ein direkter dritter Aufstiegsplatz wäre. Denn von 1993 bis 2008 gab es eben keine Relegation, sondern drei feste Aufsteiger. Betrachtet man all die Drittplatzierten, vom VfB Leipzig 1993 bis zum 1. FC Köln 2008, dann sind von diesen 16 Teams nur sechs direkt in der Folgespielzeit wieder abgestiegen. Im Schnitt platzierten sich die Mannschaften in ihrer ersten Saison nach dem Aufstieg in der Bundesliga auf Platz 13 oder 14. Zudem schafften sie es, statistisch betrachtet, sich zwischen drei und vier Spielzeiten in der Bundesliga zu halten. Die 1994 drittplatzierten und direkt aufgestiegenen Löwen von 1860 München spielten sogar zehn Saisons erstklassig, Qualifikationsspiele zur Champions League inklusive. Auch die 1997 drittplatzierte Hertha schwang sich im Anschluss viele Jahre zu einem Spitzenteam der Bundesliga auf.

Stattdessen droht die Bundesliga zu einer Art Closed Shop zu werden. In den letzten 20 Jahren schafften es lediglich Mainz 05, der FC Augsburg und Union Berlin, sich als Newcomer in der Bundesliga zu etablieren. Hoffenheim und RB Leipzig zählen ebenfalls dazu, allerdings sind die beiden aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten nun wirklich keine normalen Vereine. Und so drängt sich der Eindruck auf, dass die Relegation eben gut vermarktbar ist und die übertragenden TV-Sender freut, aber für die Zweitligisten eine nur selten zu nehmende Hürde darstellt. Deshalb ist jedes Spitzenteam der 2. Liga tunlichst darauf aus, Erster oder Zweiter zu werden. Denn Platz 3 gleicht fast schon einer Niete in der bunten Tombola namens „Relegation“, die das Business „Deutsche Fußball Liga“ alljährlich aufführt: Leider verloren!

 

Direkter Aufstieg, bitte!!!

So, 30.04., 13.30 Uhr: Holstein Kiel – SV Darmstadt 98

Sa, 06.05., 20.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – FC St. Pauli

So, 14.05., 13.30 Uhr: Hannover 96 – SV Darmstadt 98

Fr, 19.05., 18.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – 1. FC Magdeburg

So, 28.05., 15.30 Uhr: SpVgg Greuther Fürth – SV Darmstadt 98

sv98.de

 

125 Jahre SV Darmstadt 98

Die große Lilien-Geburtstagssause zum 125-jährigen Bestehen steigt am Montag, 22. Mai 2023: Um 17 Uhr ist Treffpunkt am Schlossgartenplatz. Nach der Enthüllung einer Gedenktafel am Gründerhaus (der Familie Ensgraber, Hausnummer 10) geht es um 18 Uhr zu Fuß hoch zum Böllenfalltorstadion. Dort warten Food-Trucks und Stände der Sportabteilungen und Fanclubs, ab 19 Uhr stehen Lilien-Legenden auf der Bühne, es gibt Live-Auftritte von Maladd in de tête und Alberto Colucci mit Kinderchor. Und um 22 Uhr ein fulminantes Abschlussfeuerwerk. Der Eintritt ist für Vereinsmitglieder frei, Nicht-Mitglieder zahlen 5 Euro.

 

Matthias und der Kickschuh

Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Seit Juli 2016 begleitet Matthias gemeinsam mit vier Mitstreitern die Lilien im Podcast „Hoch & Weit“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!

kickschuh.blog