Foto: Jan Nouki Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Kurzweilig, turbulent, witzig, unkonventionell (auch musikalisch) … leicht, aber nicht leichtfertig: Die Studentenkomödie „13 Semester“, das Kinodebüt des Stuttgarter Regisseurs Frieder Wittich, macht Laune. Und das noch mehr, weil der Film in Darmstadt spielt – und von April bis Mitte Mai 2008 hier gedreht wurde. Der Plot: Momo (Max Riemelt) kommt aus dem brandenburgischen Wusterhausen, um an der Darmstädter Uni Wirtschaftsmathematik zu studieren. Es geht um Freundschaft. Um Sinnkrisen. Um Liebe. Und der Große Woog ist der heimliche Star des Films. Nicht nur für alle Darmstädter, auch für den Regisseur. Das P traff Frieder Wittich und prüfte seine Darmstadt-Affinität auf Herz und Nieren.


Ei gude, wie, Frieder?!

Frieder: Bitte was? Heißt das „Ich hoffe, ein guter Film“? „Ein gutes Leben“? „Einen guten Tag“?

Fast! Das ist Darmstädterisch und bedeutet so viel wie: „Wie geht’s, alles klar?“

[Etwas verlegen] Ich kann halt leider nicht so gut Hessisch. Das war jetzt aber auch ein Extrem! [lacht] Ich mochte früher immer den, Gott hab in selig, Diether Krebs, wenn der auf Hessisch gekocht hat: „Ei … mei-die, mei-da, mai-dera“ … Super!

Bisher spielt Darmstadt filmisch eher in Fernsehserien eine Rolle: „Diese Drombuschs“, „Tod eines Schüler“, „GG 19“. War die Zeit jetzt einfach mal reif für „Darmstadt als Kinofilmstadt“?

Ehrlich gesagt hatten wir das Drehbuch ganz frei, also auch ganz ortsungebunden geschrieben. Wir wussten: Es sollte eine Studentenstadt sein, und nicht das hippe Berlin, nicht das hippe Hamburg. Sondern eine Stadt, in der sich viel um die Universität dreht und wo noch auf dem Ortsschild steht, dass hier studiert werden kann. Dann war der Hessische Rundfunk recht früh an Bord, die Twentieth Century Fox mit Sitz in Frankfurt, dann kam die Hessische Filmförderung dazu, Hessen Invest Film, noch eine zweite Förderung … und irgendwann war klar: Wir drehen in Hessen. Das mit Darmstadt hat sich dann so entwickelt.

Wie denn?

Das war bestimmt ein Jahr, bevor wir gedreht haben, 2007, als wir noch mitten in der Drehbuchphase waren. Ich war vorher noch nie in Darmstadt gewesen, hab meinen Co-Autor Oliver Ziegenbalg mit ins Auto gepackt. Wir kamen in Darmstadt an und dachten: Die TU … da können wir ’n Liedchen machen! Das ist genau so, wie wir es uns vorgestellt haben. Dann diese Siedlung [das Woogsviertel, Anm. d. Red.], wo dann im Film die WG ist: Wir wollten ein einzeln stehendes Häuschen haben, so mit Garten … perfekt! Dann haben wir uns ein paar Studentenwohnheime angeguckt und kamen dabei an so Postern vorbei mit diesen Robotern [Darmstadt Dribbling Dackels, Anm. d. Red.]. Die haben wir dann später ja auch im Film mit eingebaut. Und der Woog-See… Alles war so, wie im Drehbuch beschrieben. Nach zwei Tagen haben wir die Produktion angerufen: „Wir haben die Stadt! Darmstadt!“

Wieso Darmstadt – und nicht Marburg oder Kassel?

Die haben keine TU. Es war nämlich auch noch wichtig, dass man Architektur und Wirtschaftsmathematik studieren kann. Ein wichtiger Ansatz in unserem Film ist nämlich, dass wir wirklich echt sein wollten, dass alles authentisch ist.

2,3 Millionen Euro Euro sind für einen Debütkinofilm nicht wenig. Angesichts der aufwendigen Technik, die Ihr verwendet habt – zum Beispiel wurde das Parkhaus in der Pankratiusstraße extra für eine Szene mit Kunstschnee beschneit – aber auch nicht sehr viel. Wie viel Idealismus steckt in „13 Semester“?

Ich glaube, es gibt keinen Film, bei dem man zu viel Geld hat. Geld ist immer zu wenig da. Regisseur und Drehbuchautor haben nämlich immer viele tolle Ideen. [lacht] Das Tolle ist: Die Produktionsfirma Claussen + Wöbke + Putz macht viele Debütfilme. Den Satz „Das geht nicht“ als erste Antwort auf ’ne Idee hab ich nicht einmal gehört. Es wird stattdessen überlegt: „Wie könnten wir das mit unseren Mitteln hinbekommen?“ Und: „Haben wir nicht von ‚Krabat’, von der letzten Produktion, noch etwas Kunstschnee?“ Das Geld, das man hat, ist immer relativ, ganz viel lässt sich auch durch Engagement, Euphorie und Enthusiasmus finanzieren. Natürlich haben bei uns alle Teammitglieder weniger verdient als bei einem Film, der doppelt so viel Geld bekommt. Aber alle haben an diesen Film geglaubt. Es ist deshalb auch nicht mein Film, sondern unser aller Film – der Film von allen, die uns da mitgeholfen haben. Natürlich haben wir nicht das Geld gehabt, 600 Komparsen, nach Tarif bezahlt, ins Auditorium zu setzen. Sondern das war: „Hallo Darmstadt! Bitte kommt alle! Macht mit! Wir haben nicht das Geld.“ Und es hat funktioniert.

Wie war denn generell das Verhältnis zwischen Filmcrew und Darmstadt?

[Begeistert] Suuper, Mann! Wir haben wochenlang Nachtdrehs gehabt und sind da mit unseren Lichtstativen durch die Nachbarschaft gepoltert. Da kam nicht ein Mal die Polizei. Es gab eine Nachbarin, die saß bei uns immer am Catering, nachdem sie mit ihrem Hund spazieren gegangen war. Die kannte jedes Teammitglied – und alle Geschichten. [lacht] Die ganze Nachbarschaft im Woogsviertel war super … das waren offene Arme!

Das Wetter spielte ja während der Dreharbeiten ziemlich verrückt. Es hat ja sogar mal richtig geschneit in Darmstadt…

Oh ja … an dem Tag sah ich aus dem Fenster und dachte: „Das darf nicht wahr sein.“ Es passte eigentlich überhaupt nicht in unseren Drehplan. Wir hatten Szenen, für die wir für teuer Geld Kunstschnee angekarrt haben – und dann schneit’s wie aus heiterem Himmel. Aber man muss eben flexibel sein… Wir also beim Amt angerufen: „Wir würden gern im Herrngarten drehen. So in einer Stunde.“ In Berlin hätte die Genehmigung vier Tage gebraucht. In Darmstadt meinten die vom Amt: „Ei, sischä, kein Probleem.“ Es ist toll, wenn man an einem Drehort ist, an dem einem alle so wohl gesonnen sind!

Ist Darmstadt telegen? Oder musste vieles geschönt werden?

Also geschönt haben wir gar nix. Aber wir haben die Drehorte sorgfältig gewählt. Klar, die Uni ist die Uni, das Audimax ist das Audimax. Aber der Woog zum Beispiel ist sehr einzigartig, mit diesem Freibad im See. Die Rosenhöhe oder die Mathildenhöhe … Das ist wunderschön dort, aber so Postkartenmotive, da könnte man Rosamunde Pilcher drehen … aber keinen Studentenfilm. [kurze Pause] Na … den Bernd [Filmfigur aus „13 Semester“, dargestellt von Alexander Fehling, Anm. d. Red.] hätte man vielleicht zum Kiffen auf die Mathildenhöhe schicken können. [lacht]

Momo und Bernd gehen in „13 Semester“ zum Feiern und zum „Bonaparte“-Konzert gerne ins „Roxy“? Warum habt Ihr nicht in einem real existierenden Darmstädter Club gedreht?

Das hatte logistische Gründe. Im Schlosskeller gab es das Problem mit den Treppen und der Beleuchtung des Gewölbes. Das 603qm war lange Zeit ein Favorit, war uns aber zu groß. Da hätten wir zu viele Komparsen gebraucht. Und die Akustik war schwierig. Bei einem anderen Laden hat die Patina gefehlt, der war für diese Szene zu gelackt. Also sind wir in die Bar der Kammerspiele ins Staatstheater rein und haben die – schwuwweldi, wubbeldi – mit Glitzervorhang und ein paar Second-Hand-Möbeln ausgestattet. Das war die einfachste und auch günstigste Lösung – nur deshalb haben wir in dem Fall auch mal geschummelt.

Ward Ihr auch oft nachts in Darmstadt unterwegs?

In der Vorbereitung: ja. Während des Drehs ging das aber nicht mehr. Da hast Du 18 Stunden auf der Uhr … und denkst dann nicht mehr ans Ausgehen. Beim Abschlussfest haben wir es aber natürlich krachen lassen! Vorher waren wir auch mal Tischkickern in der „Krone“. Ein Top-Laden! Der ist ehrlich – das mag ich einfach. Es gibt sowieso einige coole Ecken in Darmstadt, zum Beispiel auch diese Bar mit der Terrasse … [Frieder meint „das Stella“, Anm. d. Red.].

Wenn Du auf die knapp sieben Wochen Drehzeit zurückblickst: Wie ist Darmstadt?

[Überlegt] Sympathisch. Offen … [überlegt] … Freundlich.

Vielen Dank für das Gespräch.