Gut sind sie in die Saison gestartet, die Lilien. Aus einer gefestigten Mannschaft ragen im Angriff Goalgetter Isac Lidberg und sein Sturmpartner Fraser Hornby heraus. An den ersten acht Spieltagen erzielte der Schwede acht Treffer, während der Schotte als Vorlagengeber glänzte. Da werden Erinnerungen an ein weiteres kongeniales Sturmduo wach, das vor einem Jahrzehnt für den SVD spielte: Marco „Toni“ Sailer und Dominik „Dodo“ Stroh-Engel (DSE). Im November feiern die beiden verdienten Akteure ihre 40. Geburtstage.
Als die 98er in der Saison 2013/14 vom Abstiegskandidaten zu einem Top-Team der 3. Liga avancierten, waren die beiden Angreifer Garanten des Erfolgs. Dabei hatten sie bei ihrer vorherigen Station nicht gerade aufgetrumpft. Doch erst so kamen die 98er überhaupt ins Spiel. Schließlich hatten beide nirgendwo sonst große Begehrlichkeiten geweckt. Stroh-Engel kam mit der Empfehlung von überschaubaren drei Saisontoren vom Ligakonkurrenten Wehen-Wiesbaden. Dabei hatte er zuvor in Babelsberg immerhin 13 Treffer erzielt. Lilien-Coach Dirk Schuster erkannte deshalb genug Potenzial, um ihn bei den Lilien wieder in die Spur zu bringen.
Toni Sailer war beim damaligen Drittligisten 1. FC Heidenheim aufs Abstellgleis geraten. Er durfte nicht einmal mehr mit dem Team trainieren. Das führte dazu, dass sich ein Oberligaklub aus Sailers Heimat bei ihm meldete. Der Manager des Fünftligisten versuchte, Toni von einer Rückkehr in heimische Gefilde zu überzeugen, da dessen Karriere ja so langsam dem Ende entgegensteuere. Doch Toni war alles andere als bereit für einen Abgesang auf seine Laufbahn. Schließlich hatte er mit Fürth bereits 2. Bundesliga gespielt und in Aalen, Wehen sowie Heidenheim 3. Liga. Er besaß damit genug Ehrgeiz, um bei einem anderen Drittligisten anzugreifen. Dass es Darmstadt wurde, hatte er seinen starken Leistungen im Probetraining zu verdanken.
Quattrick-Schütze und Maratoni
Bei den Lilien trafen Dodo und Toni mit Dirk Schuster auf einen Coach, der sich sehr um sie bemühte. Etwas, das gerade Toni in den Jahren zuvor gefehlt hatte. Schuster wusste eine Truppe zusammenzuschweißen, die es allen zeigen wollte. Für Dodo hieß das: Tore schießen. Für den um ihn herumwuselnden Toni: viele (Kilo-)Meter machen, Räume öffnen und Tore auflegen. Die beiden lieferten! Stroh-Engel krönte seine bärenstarke Saison am 10. Spieltag mit vier Toren gegen Rostock. Darauf angesprochen, welchen Begriff es für vier Treffer gäbe, kreierte er schlagfertig ein neues Wort: „Quattrick!“ Im Saisonverlauf schoss Stroh-Engel 27 Treffer und bereitete acht weitere vor. Bis heute hat kein Spieler derart viele Buden in einer Drittligasaison gemacht. Sailer steuerte zehn Torbeteiligungen bei, während ihn Sturmpartner DSE für seine unermüdliche Laufarbeit als „Maratoni“ adelte. Auch im Aufstiegsthriller von Bielefeld hatten beide ihre Füße im Spiel. Dodo eröffnete das Relegationsrückspiel mit dem wichtigen Treffer zum 1:0, während der rechtzeitig aus einer Verletzung zurückkommende Toni das 3:1 von Jerôme Gondorf vorbereitete. Wie so oft mit einer für ihn typischen Willensleistung. Das Tor egalisierte das Hinspielergebnis – und der Rest ist Geschichte.
Damals wurde die Basis für einen Profiklub gelegt
In der 2. Bundesliga blieb der Einfluss der beiden spürbar. Toni ackerte unermüdlich weiter und wurde mit seinem Bart zum Gesicht des Klubs, während Dodo immerhin zwölf Torbeteiligungen verbuchen konnte. Und so kam es, dass beide im August 2015 beim SV Darmstadt 98 plötzlich Bundesligaspieler waren. Ein Status, von dem sie bei ihrer Ankunft zwei Jahre zuvor so weit entfernt waren, wie der gesamte Klub von auch nur halbwegs professionellen Strukturen. Beide haben mit ihren Mitstreitern das Fundament dafür gelegt, dass der SVD heute ein grundsolider Zweitligist ist.
Beide hatten in Darmstadt etwas gefunden, das sie zuvor so lange vermisst hatten. Ein Umfeld, das ihnen Vertrauen schenkte. Ein Trainer, der ihre Stärken betonte. Eine mannschaftliche Geschlossenheit, die sie im Frühherbst ihrer Karrieren in ungewohnte Höhen katapultierte. So waren sie Fixpunkte einer Truppe, die den Sportverein nach 33-jähriger Abstinenz wieder zurück in die Bundesliga führte. Bei ihren Abschieden wurden die beiden Kicker von den Lilienfans besonders frenetisch bejubelt. Mehr Liebe kann ein Fußballprofi nicht erfahren. Die beiden haben in Darmstadt alles richtig gemacht und ihre Namen genießen bis heute in der Fanszene einen mindestens sehr guten Klang.
Toni nah an den Lilien dran
Für Sailer wie für „DSE“ war die Zeit beim SVD die Krönung ihrer Laufbahn. Toni ließ sich sogar das Johnny-Heimes-Motto „DU MUSST KÄMPFEN. Es ist noch nichts verloren“ auf den Unterarm tätowieren. „Das Tattoo ist der Ausdruck dessen, dass hier etwas Besonderes passiert ist, das ich in meinem Leben nie mehr vergessen werde. Es ist wahrscheinlich das beste Tattoo, das ich mir machen konnte.“ Auch wenn er seine Karriere anderswo beendete, so ist Toni heute weiterhin in Darmstadt präsent. Inzwischen arbeitet er zwar für ein Unternehmen, das sich auf die betriebliche Gesundheits- und Altersvorsorge spezialisiert hat. Bei Zweitligaspielen ist er jedoch regelmäßig am Bölle zu Gast. Daneben ist er mit Stadionsprecher Colin Mahnke Host des Lilien-Podcasts „Lilienliebe“ und ein fester Bestandteil der Traditionsmannschaft der 98er.
Dodo als Nachwuchscoach tätig
Genauso wie Toni besuchte auch Dodo im Oktober 2024 beim „Zehnjährigen“ der Aufstiegshelden das Bölle und ließ sich feiern. Der gebürtige Mittelhesse lebt inzwischen in München. Seine Karriere hatte er eigentlich im Sommer 2024 bei Regionalligist FC Memmingen ausklingen lassen. Er ließ es sich jedoch im Frühjahr nicht nehmen, mit 39 Jahren erneut die Kickschuhe zu schnüren, um Bayernligist TSV Landsberg erfolgreich im Abstiegskampf zu unterstützen. Inzwischen ist Stroh-Engel als Trainer beim Deutschen Fußball Internat (DFI) im oberbayerischen Bad Aibling angestellt. In dieser Funktion agiert er in seiner zweiten Saison als Nachwuchstrainer der U17-Junioren beim DFI-Kooperationsverein TSV 1860 Rosenheim. Für seine Arbeit erfährt er dort viel Zuspruch. Wer weiß? Vielleicht erleben wir ihn ja irgendwann mal auf größerer Bühne? Sei es im Trainerstab der Lilien oder eines gegnerischen Teams. Seine Ex-Teamkollegen Aytaç Sulu (Viktoria Aschaffenburg) und Sandro Wagner (FC Augsburg) sind diesbezüglich schon einen Schritt weiter.
Happy Birthday, Toni! Happy Birthday, Dodo! Genießt Eure Ehrentage und auf bald am Bölle.
Zwei Flutlichtabende am Bölle
Sa, 1.11., 20.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Arminia Bielefeld
Sa, 8.11., 13 Uhr: Hannover 96 – SV Darmstadt 98
Sa, 22.11., 20.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – SpVgg Greuther Fürth
So, 30.11., 13.30 Uhr: SV Elversberg – SV Darmstadt 98
Matthias und der Kickschuh
Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Zudem führt er seit einigen Jahren Interviews für den „Lilienkurier“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!







