Nicht so einfach derzeit, in Darmstadt die Fahne der Kultur hoch zu halten. Ein Update über das Wohl und Wehe der lokalen Kulturveranstalter.

Foto: Cem Tevetoglu
Foto: Cem Tevetoglu

Centralstation

Die Neuordnung der Centralstation schreitet voran. Nachdem Anfang Januar das Andocken der Centralstation (CS) an das Darmstadtium bekanntgegeben wurde und Kongresszentrum-Geschäftsführer Lars Wöhler zusätzlich zum neuen CS-Geschäftsführer aufstieg, verkündete Darmstadts Oberbürgermeister und Kulturdezernent Mitte März: „Meike Heinigk wird die Aufgaben der zweiten Geschäftsführerin der Darmstädter Centralstation übernehmen.“ Bedeutet: Während sich Lars Wöhler um die Finanzen und die Struktur des Kulturbetriebs kümmert, ist Meike Heinigk für das Kulturprogramm hauptverantwortlich. Die Centralstation kennt sie wie ihre Westentasche, seit 16 Jahren organisiert sie dort Veranstaltungen und war zuletzt Prokuristin und Programmgestalterin für Theater/Lesungen/Kinder. P-Leser kennen Meike Heinigk (44, dreifache Mama) auch als engagierte Autorin, von 2008 bis 2013 mischte sie aktiv beim P Stadtkulturmagazin mit und schrieb über lokale Architektur, Yoga, ihre Stammzellen-Spende, „die Kultur der Ordnung“, „Darmstadt zum Selbermachen“ und „Darmstädter Typen“.

Wenige Tage, bevor diese für die neu gegründete Centralstation Veranstaltungs GmbH sehr wichtige Personalie endlich offiziell bekannt gegeben wurde, beschloss die Stadtverordnetenversammlung, bis zu 515.000 Euro in die „grundlegende Instandsetzung“ der Centralstation zu investieren: Die öffentlichen Toiletten im Untergeschoss sollen saniert, außerdem die in die Jahre gekommene Ton- und Lichtanlage, Bodenbeläge und Bühnenvorhänge erneuert werden. Ein Investitionsstau, auf den die ehemaligen CS-Geschäftsführer Michi Bode-Böckenhauer und Alex Marschall schon seit Jahren hingewiesen hatten.

Auf der Pressekonferenz zur Ernennung von Meike Heinigk zur zweiten Geschäftsführerin jedenfalls schien alles Friede, Freude, Eierkuchen zu sein: „Wir haben schon andere Projekte aufgebaut und abgegeben“, kommentierte Bode-Böckenhauer, der künftig die (Abend-) Gastronomie der CS als Geschäftsführer einer noch zu gründenden privaten GmbH leiten wird. Mit Marschall zusammen hatte er bereits das Weststadtcafé und den Hillstreet Club konzipiert, betrieben und später in andere Hände übergeben. Es sei ein bisschen, wie „wenn die Kinder erwachsen werden und das Haus verlassen“, verglich Marschall. Dass mit Heinigk die Kontinuität auch in Zukunft groß geschrieben werden soll, ist dabei sicherlich tröstend. Das gilt auch für die bisherige Belegschaft der CS: Alle Mitarbeiter sollen „eins zu eins, zu gleichen Bedingungen übernommen werden“, versicherte der neue Chef Lars Wöhler.

www.centralstation-darmstadt.de

 

Open Air am Steinbrücker Teich

Seit 1991 gab es am idyllisch gelegenen Steinbrücker Teich regelmäßig ein kleines, aber feines Open Air, das Teile der lokalen Musikszene (vornehmlich: Punk, Metal und Hardcore) präsentierte – meist mit einem überregionalen oder internationalem Act als Headliner. Letztes Jahr gab es kein Open Air … und dieses Jahr wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch keines geben. Gründe gibt es viele – die gute Nachricht aber vorab: Das Open Air am Steinbrücker Teich steht nicht (!) vor dem endgültigen Aus (auch wenn das anderweitig so suggeriert wurde). Es muss sich nur jemand finden, der sich auf die Rahmenbedingungen einlässt. Und die sind alles andere als gut. Schlimmer noch: Sie verschlechtern sich nach Lage der Dinge.

Foto: Mathias Knuhr
Foto: Mathias Knuhr

Man kann schon von einer kleinen Kulturkrise in Darmstadt sprechen, da die Kulturszene in dieser Stadt aufgrund schwindender Fördergelder mehr und mehr zu kämpfen hat. Außerdem müssen Veranstaltungsorte schließen, weil sie gekündigt bekommen oder diverse Auflagen nicht mehr erfüllen können. Gerade eine Stadt mit 40.000 Studenten lebt aber von einem reichhaltigen Angebot. Es ist ein Qualitätsmerkmal und hat bestenfalls Strahlkraft in die Region oder darüber hinaus. Das zeigt sich in anderen Städten wie Wiesbaden (Schlachthof), Heidelberg (Karlstorbahnhof) oder Offenbach (Hafen 2). Auch in unserer Stadt gab es bessere Zeiten. Wenn aber die Stadtverwaltung selbst – zum Beispiel in Form des Ordnungsamts oder Kulturamts – Initiativen zur kulturellen Belebung bremst oder gar verhindert, liegt einiges im Argen. Das Beispiel „Steinbrücker Teich“ scheint bezeichnend für die unbefriedigende Situation.

Ansprechpartner und Mitveranstalter des Open Airs sind die Stadt Darmstadt (genauer: das Kulturamt) und der Verein Artcore e.V., der das kleine Festival ursprünglich initiierte, aber zuletzt meist nur noch beratend und prüfend zur Seite stand. Letzterer bangt um das über Jahrzehnte sorgsam aufgebaute subkulturelle Biotop und würde auch konzeptuelle Änderungen akzeptieren, so lange die Grundausrichtung abseits des Mainstream erhalten bliebe. Die Stadt selbst schwankt in ihrer Haltung zwischen ehrlich bekundeter Sympathie für das Festival und unrealistischer, nicht zeitgemäßer Rahmensetzung. Das betrifft sowohl finanzielle Fragen, Risikominderungen wie auch mögliche programmatische Änderungen.

1) Unter eigentlich allen früheren Organisatoren des Teich-Open-Airs ist unstrittig, dass das bisherige Konzept nicht mehr wirklich tragfähig ist, um den wochen-, teils monatelangen Aufwand zu rechtfertigen. Zumindest scheint niemand mehr bereit, die umfassenden Aufgaben im Vorfeld des Festivals rein ehrenamtlich anzugehen, da dies ohne deutliche Einschränkungen im eigenen Alltagsleben (Beruf/Freizeit) kaum machbar ist. Wer nur am Tag des Konzertes erscheint, unterschätzt bisweilen die zeitintensive Vorbereitung. Es handelt sich eben nicht um ein kleines profanes Konzert in einer vorgefertigten Infrastruktur (Bühne, Technik, sanitäre Anlagen undsoweiter). Eine Verteilung der wichtigen und zeitintensiven Aufgaben auf viele ehrenamtliche kompetente Schultern gelingt nämlich nur selten. Wer Erfahrung im Organisieren von größeren Veranstaltungen hat, ist da gebrandmarkt. Daher muss über eine kleine Aufwandsentschädigung und Unkostenerstattung für den engsten, verantwortungsvollsten Mitarbeiterkreis nachgedacht werden, um kompetente Leute zu gewinnen.

2) Für den oder die Hauptorganisatoren gibt es unkalkulierbare zivil- und strafrechtliche Risiken. Ein vernünftiges Konzept bedarf auch einer klaren Regelung in Haftungsfragen – bisher war dies nur schwammig (mündlich) bis gar nicht (schriftlich) geregelt, so dass im Ernstfall alle Haftungsszenarien auf Einzelpersonen abgewälzt werden könnten. Da kann es schlimmstenfalls auch mal um sechsstellige Beträge gehen. Eine wirklich sachgerechte Versicherungsabdeckung ist zwingend geboten. Dies wäre aber ein neuer deutlicher Kostenfaktor und dürfte weitere Auflagen beinhalten, die wiederum neue Kosten verursachen.

3) Ebenso trägt der Hauptverantwortliche das finanzielle Risiko, falls der Deckungsbeitrag für die Unkosten nicht erreicht wird. Auch in diesem Falle haftet der Hauptverantwortliche vertragsrechtlich alleinig gegenüber den Gläubigern. Bisher konnte dies immer durch den Verein Artcore e.V. „solidarisch“ aufgefangen werden, allerdings wäre auch dies rechtlich nicht bindend beziehungsweise sicherlich nur bis zu einer bestimmten Höhe möglich. Eine Gewinnerzielung für Einzelpersonen ist aus nachvollziehbaren Gründen seitens der Stadt nicht gewünscht. Bei der bisherigen Regelung verbleibt aber für Einzelpersonen die Gefahr, als Schuldner aus der Sache rauszugehen. Ein Missverhältnis.

4) Überhaupt die Finanzen: Das Festival sollte stilistisch weiter gefasst werden, um mehr Leute zu erreichen und auch mehr (Sub-)Kultur dieser Stadt (musikalisch wie nicht-musikalisch) einzubinden und abzubilden. Ebenso wichtig wäre es, nationale und internationale Künstler über den bisherigen Rahmen hinaus einzuladen, um die eigene Szene kreativ zu befruchten und mehr Relevanz über Darmstadt hinaus zu bekommen.

Die finanzielle Unterstützung für das Festival durch die Stadt (Kulturamt) und Landesfördermittel wie den „Kultursommer Südhessen (KUSS)“ bewegt sich aber seit langem in der gleichen niedrigen Größenordnung. Der fest planbare Etat für das Festival ist daher – gelinde gesagt – „überschaubar“. Er reicht gerade so für ein kleines lokales Szenario, aber garantiert nicht für eine Weiterentwicklung, wie seit langem gewünscht. Es ist natürlich erfreulich, dass die Stadt in ihrer prekären Lage überhaupt finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Allerdings haben die Kostenfaktoren gerade in den letzten Jahren deutlich zugenomment, so dass es zu einem Missverhältnis kommt. Eine Finanzierung durch Sponsoren ist auch nur bedingt gewünscht, da es schnell dem eher nicht-kommerziellen Kontext des Festivals widersprechen könnte.

5) Das gravierendste Manko ist aber die neue Festlegung auf ein künftiges Datum, an dem das Festival ausschließlich stattfinden darf – aus naturschutzrechtlichen Bedenken (brütende Vögel). Dies wäre immer das jeweils erste Wochenende im September. Ein Termin, bei dem jeder erfahrene Open-Air-Veranstalter die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, da allein das Temperaturgefälle zum Abend hin eine sommerliche Atmosphäre nicht mehr möglich macht. Und wenn dann auf Grund von Sachzwängen keine finanzielle Absicherung im Vorfeld gegeben werden kann, sondern einzig der Getränkeumsatz alle Fix-, Neben- und Gagenkosten „erwirtschaften“ soll, ist das Risiko eines finanziellen Fiaskos immens.

Wer sich auf diese Rahmenbedingungen einlassen will, fein – er wäre sich des Applauses und der Unterstützung vieler gewiss. Aber das P befürchtet: Solange die Stadt ihre Haltung nicht gewissen Realitäten anpasst, wird sich niemand finden, der dieses Open Air kompetent weiterführen wird.

[Anm. d. Red.: Tobi Moka, der Autor dieser Zeilen, hatte letztes Jahr Interesse bekundet, die Festival-Organisation zu übernehmen, lehnte aber nach reiflicher Überlegung aus genannten Gründen ab. P-Herausgeber Cem Tevetoglu war von 2001 bis 2010 Kopf der „Projektgruppe Open-Air am Steinbrücker Teich“, die das Festival ehrenamtlich organisierte. Daher der etwas kommentierende Charakter dieses Textes.]

Rückblicke und Fotos der vergangenen 20 Jahre „Steinbrücker“ auf www.openair-darmstadt.de

 

Logo: Golden Leaves Festival
Logo: Golden Leaves Festival

„Golden Leaves“-Festival

Lange Zeit war es fraglich, ob das bezaubernde „Golden Leaves“-Festival eine Fortsetzung finden würde. Die Risiken einer rein spendenfinanzierten und schönwetterabhängigen Veranstaltung sowie die Suche nach einem neuen geeigneten Standort ließen die Frage bis Februar dieses Jahres offen. Dann aber gab es die freudige Kunde aus dem Hause Bedroomdisco, dem Veranstalter-Team: neuer Standort gefunden, neue Ideen formuliert und neue Motivation getankt. „Fest stehen Datum, Ort und auch schon die Hälfte der Bands, die spielen sollen“, sagt Dominik Schmidt, einer der Hauptinitiatoren. Dieses Mal wird es das etwas wetterrisiko-ärmere Wochenende 22. und 23. August sein (das letzte Festival am ersten September-Wochenende 2013 verzeichnete dank schlechter Wetterprognosen weniger Besucher und damit finanzielle Einbußen). Der genaue Ort des Geschehens wird (wie immer bei den Bedroomdisco-Veranstaltungen) nur Verlosungsgewinnern bekannt gegeben. Er wird sich – so viel sei aber verraten – in Pfungstadt befinden.

Die interessanteste Neuigkeit: Um finanzielle Planungssicherheit zu erhalten, wird es (ab 01.04.) eine Crowdfunding-Aktion geben, bei der Unterstützer schon im Vorfeld spenden und dafür (je nach Höhe der Spende) auch einiges erhalten: einen sicheren Gästelistenplatz, Ticketpakete von befreundeten Festivals wie „Maifeld Derby“ und „Nonstock“, CDs, T-Shirts oder ein Dönerpizza-Essen mit dem Orga-Team. Das angepeilte Ziel, durch Crowdfunding vorab schon mal 4.000 Euro einzusammeln, würde das rein ehrenamtlich organisierte Festivalteam etwas entspannter schlafen lassen, denn für Bühne, Technik und mehr muss das Team schon früh in Vorkasse treten. Daher unsere Empfehlung: Wer sich auf das Festival freut, kann es schon jetzt unterstützen.

www.bedroomdisco.de

Mehr Infos zum Festival und den Link zum Crowdfunding auf: www.goldenleavesfestival.de und www.facebook.com/GoldenLeavesFestival