Grafik: Rocky Beach Studio
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Streng genommen muss man jedem Fan, der den „Lilien“ die Stange hält, mit Treueprämien überhäufen. Wersich immer noch dieses Oberundregionalligagerumpel antut, gelegentlich mit Klingelbeuteln durch die Stadt läuft, damit der Verein seine Außenstände beim Finanzamt begleichen kann, dem sollten die Vorstandsmitglieder in aller Bescheidenheit die Schultern tätscheln und sagen: „Schön, dass Sie da sind.“

Aber in Darmstadt wird der Fan immer gerne solange gestreichelt, wie es dem Verein nützt. Ansonsten wird von ihm gerne das genommen, was der Verein immer braucht: Geld. So gab es vor Jahren einmal den Plan, die Fans aus A- und F-Block zusammenzulegen, damit die dadurch frei werdenden Sitzplätze auf der Haupttribüne zu einem erhöhten Eintritt genutzt werden können. Der mögliche Gewinn dieser Aktion wären ein paar hundert Euro Mehreinnahmen gewesen – auf Kosten einer Zwangsehe von zwei Fangruppen, die allein altersmäßig weit auseinander liegen. Nun muss man die grimmigen A-Blöckler nicht mehr mögen als nötig, aber diese alten Kameraden auf die blau-weißen Teenies vom anderen Ende der Tribüne loszulassen, hätte niemandem geholfen.

Dieser Tage nun kam in den Mailboxen der Fanclubs ein formloses Schreiben an, das im Anhang für seltene Einigkeit sorgte: „Die Erlöse aus dem Verkauf von Fanartikeln stellen eine unverzichtbare bedeutende Einnahmequelle für den Verein dar“, ließen Präsident Kessler und sein Marketingvize Pfitzner wissen. Es ging weiter mit einigen markenschutzrechtlichen Exkursen zum Vereinslogo und der Lilie – weswegen man die Nutzung demnächst nur noch nach vorheriger Lizenzgebühr gestatten werde.

Das klang dann unter anderem so: „Sollten von Fanseite Fanartikel mit Vereinsbezug (Name, Logo, Lilie) nach eingeholter Genehmigung des Vereins für besondere Aktionen hergestellt bzw. vertrieben werden, steht dem Verein eine individuell festzulegende Lizenzgebühr zu.“ Übersetzt in den Alltag bedeutet das: Würde ein x-beliebiger Fanclub für seine Mitglieder beispielsweise eine eigene Kollektion mit T-Shirts anfertigen und verkaufen, die das Wappen der „Lilien“ trägt, dann müsste das vorher von der Vereinsführung abgesegnet werden. Und, versteht man die Anordnung richtig, es würde eine Lizenzgebühr für die Nutzung des markenrechtlich geschützten Vereinslogos fällig.

Das ist natürlich Unfug. Denn erstens würde kein ernstzunehmender Fan so ein Procedere mitmachen. Zweitens: Wie will der Verein Verstöße ahnden? Mit einer Markenschutzpolizei im und vor dem Stadion, die eingreift, wenn selbstgebastelte Aufkleber et cetera verkauft werden? Drittens: Auf welcher Berechnungsgrundlage würden Gebühren a) bei Logonutzung, b) bei markenrechtlichen Verstößen fällig? Viertens: Welche Erlöse verspricht sich der Verein von so einer Erbsenzählerei? Sollen wegen ein paar Euro der Geschäftsbetrieb maßgeblich beeinflusst werden?

Was hinter dieser Idee steckt, ist klar: Der Anhang soll verunsichert werden, sicherheitshalber von Eigenkreationen absehen – und sich aus der offiziellen Kollektion bedienen, die der Verein vertreibt: Dazu gehören unter anderem Lippenpflegestifte, Shampoo und Strandkissenradios. Wer braucht das?

Aber auch diese Rechnung geht nicht auf. Lassen wir mal die Diskussion um unkontrollierte subkulturelle Fankreativität, die sich ein Verein leisten muss, der sich Traditionsverein nennt, außen vor. Vielmehr verhält es sich mit den T-Shirt-Verkäufen so wie mit den Kuchentheken bei Jugendturnieren: Beide tragen zur Finanzierung des Eigenbetriebes bei. Wenn beispielsweise „Lilien“-Fans regelmäßig zu Auswärtsspielen reisen, dann ist das bei den heutigen Benzinpreisen fast schon Luxus. Und diesen kann sich erst recht keiner leisten, der seinen Lebensunterhalt von Hartz IV bestreitet. Also füllen die Fanclubs halt ihre Kassen mit Verkäufen von Devotionalien auf – um eben auch in Pfullendorf oder Memmingen die Gästekurven zu füllen, wovon dann wieder Spieler und Vereinsvorstand so gerne schwärmen. Die Fusion von A- und F-Block wurde übrigens ziemlich schnell wieder aufgegeben. Es hat keinem geschadet.