Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

2.569 Tage lang hat Darmstadt sein Landesmuseum an die Handwerker und Restauratoren verloren. Sieben lange Jahre. Am zweiten September-Wochenende kann endlich Wiedereröffnung gefeiert werden. Das P durfte schon mal in die – bis auf die Eingangshalle – kaum wieder zu erkennenden Räume des für 80 Millionen Euro komplettsanierten Universalmuseums für Kunst- und Kulturgeschichte hineinschnuppern.

Das Mastodon. Gewaltige Stoßzähne. Ein imposantes Skelett. Daran erinnere ich mich auch mehr als drei Jahrzehnte später noch. Damals besuchte ich das Hessische Landesmuseum Darmstadt (HLMD) zum ersten Mal mit meiner Grundschulklasse. Nun, Mitte August 2014, stehe ich wieder vor dem Gerippe des Ur-Elefanten im ersten Obergeschoss des Alfred-Messel-Baus, in der paläontologischen Ausstellung. Noch schützt eine transparente Schutzfolie das monströse Präparat vor dem Staub der letzten noch laufenden kleinen Bauarbeiten im HLMD.

Ein Stockwerk tiefer, in der zoologischen Abteilung, hängen die Skelette eines Zwergwals, einer Sehkuh und eines Narwals von der Decke. Alte Bekannte aus der früheren Ausstellung, aber wie alle Exponate restauriert, gereinigt und aufgearbeitet. In der neuen HLMD-Präsentation gesellen sich Giraffe, Wasserbüffel, Kamel und Ameisenbär hinzu. „Viele der Skelette fristeten früher ein Schattendasein auf unserem Dachboden, oft in einem sehr schlechten Zustand“, berichtet Jörn Köhler, der als Kustode für die Zoologie zuständig ist. In der neuen Ausstellung werden nun mehr als 100 Skelette gezeigt – vom kolossalen Sumatra-Nashorn bis zum winzigen Zwerg-Chamäleon.

Mehr Platz und Licht im Universalmuseum

Knapp eine Million Exponate wurden zwischen 2007 und 2009 verpackt und ausgelagert. Zahlreiche Ausstellungsstücke waren zwischenzeitlich in Norwegen, Frankreich, den USA und Niederlanden sowie in einigen deutschen Museen zu Gast. Nun kehren sie zurück nach Darmstadt, in ein neues Zuhause, das durch den Umbau zwanzig Prozent Ausstellungsfläche hinzugewonnen hat. Über 12.000 Quadratmeter kann der Besucher nun flanieren.

Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Vorbei an den 22 antiken Korkmodellen im Renaissancesaal mit seinen pompeianisch roten Wänden, vorbei an der Bronze-Plastik von Aristide Maillol im so genannten Bad Vilbeler Mosaik, Treppe runter … und durch die ägyptische Sammlung im Untergeschoss. Rüber in die Gemäldegalerie im ebenfalls komplett renovierten und nun total geräumig wirkenden Kargelbau. Toll akzentuierte Wandfarben (petrol, moosgrün, azurblau, grau) wechseln je nach Epoche und lassen die 440 Gemälde, Altäre und Skulpturen aus dem Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert voll zur Geltung kommen. Wieder hoch zur christlichen Schatzkammer und zurück in die Zoologie. Vorbei an dem 5,50 Meter hohen Unterkiefer eines Grönland-Wals, weiter zur beeindruckenden Biodiversitätswand mit 800 Tier-Präparaten. Noch einmal eine Etage höher in die Geologie, die – passend zur dort beheimateten „Abteilung Grube Messel“ – ganz in Schiefer-Optik eingerichtet ist. Zu guter Letzt noch zum horizont-erweiternden „Block Beuys“ mit dem berühmten „Stuhl mit Fett“. Alles gesehen hat man dann noch lange nicht.

In Sachen Bildung und Vermittlung ist das neue HLMD am Puls der Zeit: Neben den heutzutage üblichen Audioguides sind an „Highlight“-Exponaten QR-Codes angebracht, die mit dem (auch ausleihbaren) Smartphone abgescannt werden und dann zusätzliche Infos und Videos abspielen. In der Zoologie wird zusätzlich mit Touchscreens zum interaktiven Lernen motiviert. Und die in mühevoller Kleinarbeit (mit dem Q-Tip) entstaubten Dioramen erklären die globale Tierwelt nicht mehr mit handgemalten Schautafeln, sondern über leuchtende Touchpanels.

Bei aller Modernisierung: Das Hessische Landesmuseum ist und bleibt eines der letzten Universalmuseen Europas. „Außer U-Booten haben wir hier fast alles“, bringt Direktor Theo Jülich das Konzept des Museums mit seiner bald 200-jährigen Geschichte auf den Punkt. Die umfangreiche Kunst- und Naturaliensammlung geht auf eine Schenkung des Großherzogs Ludwig I. von Hessen-Darmstadt an den Staat zurück. 1897 beauftragte Großherzog Ludwig den auch damals schon bekannten Architekten Alfred Messel mit dem Bau eines passenden Museums und einer Ausstellungskonzeption.

Foto: Jan Ehlers
Foto: Jan Ehlers

Einheit von Kunst und Naturwissenschaft

Messel widmete jeder Sammlung einen eigenen Gebäudebereich und schuf damit eine Einheit von Kunst und Naturwissenschaft in einem Museum. Kunstwerke aus dem 16. bis 18. Jahrhundert neben präparierten Tieren aus Mitteleuropa, Räume wie der „Romanische Gang“, die Gotische Kapelle neben dem Rodensteiner Hof sowie der herrliche Barocksaal zeigen anschaulich historische Zusammenhänge. Nach der Komplettsanierung tun sie dies mehr als in den vergangenen 70 Jahren, in denen Messels Architektur zunehmend verunstaltet und zugebaut wurde.

So wurden in den sieben Jahren Umbauzeit im ganzen Museum abgehängte Decken, Wandverkleidungen und Bodenbeläge entfernt. Zum Vorschein treten nun herrliche Gewölbedecken, Stuckaturen und Nischen, die sich bestens zur Inszenierung der verschiedenartigen Sammlungen eignen, so zum Beispiel einer alten ägyptischen Mumie, die bisher im dunklen Depot versteckt wurde. Zugebaute Türen und Fenster wurden geöffnet, das neue Landesmuseum strahlt mit der Sonne um die Wette, so hell und licht ist es.

Da es nur wenige alte Pläne gab, dienten teilweise historische Fotografien als Vorbilder. Unter anderem ließ HLMD-Direktor Theo Jülich seine Kontakte zum Metropolitan Museum in New York spielen, wo man alte Aufnahmen des Darmstädter Museums als Vorlage für die Depandance „The Cloister“ genutzt hat. Außerdem wurden das schmucke Kupfer-Dach, die Heiz- und Lüfttechnik, die Elektrik und die Toiletten von Grund auf erneuert. Und zwischen Kargel- und Alfred-Messel-Bau gibt es nun einen zweiten Eingang, der barrierefrei ist und auch direkt zum neuen Museums-Shop führt.

Foto: Jan Ehlers
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Geöffnete Höfe und ein Café

Auch die Höfe des Museums werden revitalisiert und eignen sich künftig hervorragend für künstlerische Veranstaltungen wie kleine Konzerte, Open-Air-Kino, Lesungen – oder, um ein Glas Wein vor historischer Kulisse zu trinken. Schön ist die Idee, die Höfe auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich zu machen. Das Gleiche gilt für ein in das Gewölbe eingebettetes Café (zeitlos gestaltet, 80 Plätze), das den Namen „Café Rodenstein“ tragen wird und von lokalen Gastronomen betrieben werden soll. Besucher können dann also auch „nachts im Museum“ sein – und vielleicht das ein oder andere Urpferdchen durch die Gänge galoppieren sehen.

 

 

Das Eröffnungswochenende

Sa, 13.09., von 11 bis 22 Uhr (abschließend: Feuerwerk) + So, 14.09. von 11 bis 17 Uhr

Der Eintritt am Eröffnungswochenende ist frei, jedoch nur mit Zeitkarten möglich. Die Ausgabe der Zeitkarten erfolgt vor dem Museum jeweils ab 10 Uhr.

Auf der Bühne vor dem Landesmusem:

17 bis 17.30 Uhr: Akkordeonorchester Griesheim

18 bis 20 Uhr: TU Big Band

20.30 bis 22 Uhr: King Kamehamela Club Band

Gegen 22.15 Uhr: Feuerwerk

Weitere Programmpunkte in Kürze auf der neuen Website www.hlmd.de

 

Landesmuseum-Fakten

Eintrittspreise: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei.

Öffnungszeiten Dauerausstellung:

Di, Do, Fr: von 10 bis 18 Uhr

Mi: von 10 bis 20 Uhr

Sa, So und an Feiertagen: von 11 bis 17 Uhr

Montags, an Karfreitag, Heiligabend und Silvester geschlossen.

Studiensaal der Graphischen Sammlung: Mi von 14 bis 20 Uhr, Do 10 bis 13 Uhr + Fr von 10 bis 18 Uhr

Bibliothek: Di + Fr von 10 bis 12 Uhr, Mi + Do von 13.30 bis 16 Uhr

Der Eintritt in die Bibliothek und in den Studiensaal ist frei.

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