Foto: Jan Ehlers

Die ewigen Verspätungen der Deutschen Bahn sind ein Ärgernis – nicht aber in diesem Jahr in Darmstadt. Denn der hiesige Hauptbahnhof feiert seinen 100. Geburtstag und zahlreiche Aktionen am Gelände des Verkehrsknotenpunktes versprechen einen kurzweiligen Aufenthalt. Den gesamten Juli interveniert das vom Internationalen Musikinstitut, dem Architektursommer Rhein-Main und und der Centralstation veranstaltete Festival „Cage100“ mit Installationen zum Werke des US-amerikanischen Komponisten, Musiktheoretikers, Autors und Künstlers John Cage, der 2012 genauso alt wie der Bahnhof geworden wäre.

Neben spektakulären Kunstinstallationen von Vera Röhm oder Johannes S. Sistermanns wird der südlich auf dem Vorplatz gelegene Kiosk als ein gastronomischer „Cage & Cola“-Treffpunkt reaktiviert. Ein eigens gebautes Veranstaltungsgebäude auf der vorgelagerten Parkanlage, „StageCage“ genannt, bietet Veranstaltungen rund um Cage vom Musik-Flashmob bis hin zu einem Event mit unserem Oberbürgermeister, der das weltbekannte Cage-Stück „4‘33“ performen wird.

Darmstadts Hauptbahnhof wird 100 Jahre alt

Und dies alles, obwohl der Darmstädter Bahnhof an sich bereits viel Lob für seinen architektonischen und historischen Auftritt erhält: 2010 wurde der Bahnhof von der „Allianz pro Schiene“ zum „Bahnhof des Jahres in der Kategorie Großstädte“ gewählt. Noch heute gilt er als einer der bedeutendsten und besterhaltenen Bahnhöfe in Deutschland aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Zu seinen Besonderheiten zählt beispielsweise die Erschließung der einzelnen Bahngleisen mittels Treppen von der darüber gelegenen Hauptebene.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Entwurf von Friedrich Pützer für den Neubau eines Hauptbahnhofes auserkoren. Damit wurden die beiden damals existenten Bahnhöfe am Steubenplatz aufgegeben und man erhoffte sich mit der Ansiedlung des neuen Hauptbahnhofes eine weitere städtebauliche Entwicklung in Richtung Westen – über die von Stadtarchitekt Georg Moller geplanten Stadtgrenzen hinaus. Diese große Aufgabe und die damit verbundenen Schwierigkeiten ziehen sich bis heute hin. In den vergangenen fünfzehn Jahren wurde der Hauptbahnhof, der herrliche Jugendstilelemente enthält, komplett saniert. Aber vor allem das von der Stadt finanzierte Einkaufszentrum, das sich in Richtung Westen zum Europaplatz hin öffnet, wo sich unter anderem auch der Sitz der europäischen Weltraumorganisation ESOC befindet, beginnt erst seit kurzem halbwegs zu funktionieren, seit sich dort ein großer Supermarkt angesiedelt hat.

Insgesamt jedoch herrscht rund um den Bahnhof mittlerweile Großstadt-Flair. Hierzu trägt in jedem Fall die 2005 neu gestaltete Mobilitätszentrale bei, die den denkmalgeschützten Gebäude-Ensembles mit bunten Wartehäuschen einen modernen Rahmen verleiht. Als aufsteigende Flächen falten sie sich aus dem Boden heraus zu farbigen, grafisch und dynamisch bespielten Informationstafeln, die auch als Witterungsschutz dienen. Hinzu gesellen sich ein bunt bepflanztes Blumenbeet und große Grünflächen sowie Cafés mit einladender Außenbestuhlung.

Der Jugendstil-Bahnhof ist ein urbaner Ort geworden, gut frequentiert und gleichzeitig aufgeräumt. Er lässt dem durch oder nach Darmstadt Reisenden fast eher glauben, dass Darmstadt ein schönes Städtchen sein könnte – konträr zur hässlichen Rheinstraße, die einen von der Autobahn oder eben ab dem Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt leitet.