Sie war ein kluges, heranwachsendes Mädchen, das wenige Monate vor Kriegsende 1945 von den Nazis im Konzentrationslager Bergen-Belsen umgebracht wurde. Ihr Tagebuch, im Exil geschrieben, in einem engen Hinterhaus in Amsterdam, wohin sie mit ihren Eltern floh, macht sie unvergessen. Das Schicksal der Anne Frank bewegt generationsübergreifend, aktuell besonders in Darmstadt.
Bei den Darmstädter Anne Frank-Tagen geht es uns darum, zu zeigen, wie eng Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden sind“, erklärt Martin Frenzel. Er ist einer der drei Hauptveranstalter und Koordinator der regionalen Arbeitsgruppe Rhein-Main des Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“. Im Mittelpunkt der dreimonatigen Veranstaltungsreihe, die Ende Oktober gestartet ist, steht die Wanderausstellung des Anne-Frank-Zentrums unter dem Titel „Anne Frank – eine Geschichte für heute“. Authentischer Ort der Ausstellung ist die Schlosskirche im Darmstädter Residenzschloss. In der Brandnacht 1944 fiel sie den Flammen zum Opfer, wurde 25 Jahre später von der TU Darmstadt wiederaufgebaut und erst von der Evangelischen Hochschulgemeinde, dann als Magazin der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek genutzt. Nun feiert sie ihr Comeback als öffentlicher Kulturort.
Vergangenheit in der Gegenwart
Die Anne-Frank-Ausstellung war schon in 32 Ländern zu sehen und zeigt unter anderem eine Kopie des weltberühmten Tagebuchs des jüdischen Mädchens aus Frankfurt. „Die Kombination aus Ausstellung und begleitendem Programm gab es so aber bisher noch nie“, sagt Frenzel stolz. Noch bis zum 27. Januar 2011 stehen neben der Schlosskirche mehrere Darmstädter Theater, Kinos und Bildungsstätten im Zeichen gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen und für Toleranz, Demokratie und Weltoffenheit.
Auftakt des Rahmenprogramms im Dezember ist der DEFA-Film „Jakob der Lügner“ aus dem Jahr 1974, der am Mittwoch, dem 1. Dezember, im Programmkino Rex gezeigt wird.
Wer nichts über die Rolle Darmstadts als Hochburg des liberalen Reform-Judentum weiß, sollte sich den Vortrag von Martin Frenzel anhören. Der Historiker und Buchautor erzählt über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Liberalen Synagoge Darmstadt und weshalb die Zerstörung des liberalen Reform-Judentums einen großen kulturellen Verlust für die Stadt bedeutete. Los geht es am Donnerstag, dem 2. Dezember, um 19.30 im Katholischen Bildungszentrum (Nieder-Ramstädter-Straße 30).
Ein weiterer Höhepunkt des Programms dreht sich um die aktuelle Integrationsdebatte. Der Hype um Thilo Sarrazin und seine streitbaren Thesen ist (fast) vorbei. Jetzt geht es darum, Lösungen zu finden. Deshalb stellt Ahmet Toprak, Professor für Erziehungswissenschaften an der FH Dortmund, in einer Studie die Sichtweise der betroffenen Gruppe in den Vordergrund. Wie denken Menschen mit Migrationshintergrund über die Themen Zwangsheirat, Kopftuchverbot und Freistellung vom Sportunterricht? Diese und weitere Fragen beantwortet er in seinem Vortrag am Mittwoch, dem 8. Dezember, um 18.30 Uhr im Gemeindehaus der Stadtkirche (Kiesstraße 17).
Die Reihe an Vorträgen wird auch im Januar fortgesetzt. „Der Fremde als Nachbar“: Unter diesem Titel macht das Deutsche Polen-Institut am Dienstag, dem 25. Januar 2011, darauf aufmerksam, wie Juden und nicht-jüdische Polen während des Zweiten Welt-kriegs miteinander lebten. Ob und wie dieses Zusammenleben funktionierte, erfahrt Ihr um 19.30 Uhr im Jüdischen Gemeindezentrum(Rüdiger Breuer-Saal, Wilhelm-Glässing-Straße 26).
Die Schülerinnen und Schüler der Lichtenbergschule (LuO) haben sich in den Weihnachtsferien Gedanken zum Thema „Anne Frank – eine Geschichte für heute?“ gemacht und ihre Eindrücke kreativ umgesetzt. Die besten Ideen, Texte und Kunstwerke werden mit dem LuO-Literaturpreis ausgezeichnet. Die Verleihung beginnt am Holocaust-Gedenktag, Donnerstag, dem 27. Januar 2011, um 19 Uhr in der Mensa der Lichtenbergschule (Ludwigshöhstraße 105)