Sommerzeit ist Transferzeit. Und so sind viele Fans gespannt, wen sich ihr Lieblingsteam auf dem Transfermarkt angelt. Bei den Anhängern von Darmstadt 98 ist das nicht anders. In den ersten Wochen nach dem Saisonende tat sich beim Klub vom Böllenfalltor aber mal so rein gar nichts. Selbst die Gerüchteküche köchelte auf überschaubarem Niveau. Doch worauf sollte es bei den Spielern eigentlich ankommen, die demnächst erstmals mit der Lilie auf der Brust auflaufen werden?
Die Sommerpause geht beim Verfassen dieser Zeilen Anfang Juni bereits in ihre vierte Woche. Und just in diesem Moment haben die Lilien ihren ersten neuen Spieler verpflichtet: den dritten Torwart. In den letzten Jahren waren die 98er zügiger unterwegs. Da hatten sie mitunter schon während der noch laufenden Saison die ersten Transfers verkündet – oder aber kurz nach dem letzten Spieltag. Dass das in diesem Sommer anders ist, mag daran liegen, dass einige Langzeitverletzte wieder ins Team drängen. Mit Matze Bader und Paul Will waren zwei potenzielle Stammkräfte seit September ausgefallen. Kapitän Fabi Holland gar seit April 2024.
Bislang verkraftbare Abgänge
Darüber hinaus verabschiedeten die 98er am letzten Spieltag gegen Absteiger Regensburg zwar acht Profis aus ihren Reihen. Unverzichtbare Leistungsträger waren unter ihnen aber nicht. Philipp Förster hatte am ehesten das Zeug zum Unterschiedsspieler. Er ließ einer auffälligen Hinrunde aber eine enttäuschende Rückrunde folgen. Innenverteidiger Christoph „Zimbo“ Zimmermann war eine Säule beim Bundesligaaufstieg 2023. Seither musste er jedoch leidvoll erfahren, dass sein Körper ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht. So war er bereits in der vergangenen Saison kaum mehr eine Option für den Spieltagskader. Marco Thiede wurde aufgrund der Verletzung von Bader nachverpflichtet und wird nun, wo dieser zurückkehrt, nicht mehr länger gebraucht. Und Tobi Kempe? Der war neben Holland die Konstante im vergangenen Jahrzehnt beim SVD. Schon im Sommer 2024 bezeichnete der damalige Chefcoach Torsten Lieberknecht den Routinier allerdings als Spieler, der die anderen mit seiner Erfahrung antreiben solle, dessen Karriere sich aber dem Ende entgegen neige.
Bliebe Linksverteidiger Guille Bueno als letzter namhafter Abgang. Der junge Spanier kam von Dortmund II per Leihe ans Bölle und wusste bei seinen Einsätzen durchaus zu gefallen. Wie vereinbart kehrte er im Sommer zur Borussia zurück. Aufgrund seiner ansprechenden Leistungen wäre es aber alles andere als verwunderlich, wenn sich die Lilien um eine neuerliche Leihe oder gar Verpflichtung bemühen würden. Der Spieler kennt schließlich das Team und den Fußball, den Trainer Florian Kohfeldt spielen lassen will. Zudem weiß er durch die letzte Saison, worauf es in der 2. Bundesliga ankommt. Eine Tatsache, auf die Keeper und Führungsspieler Marcel Schuhen großen Wert legt. Wie in der Juni-Kolumne ausgeführt, sprach „Schuh“ im Saisonabschluss-Interview darüber, warum die letzte Saison derart holprig verlief. Dabei betonte er nimmermüde, dass die Mannschaft aus vielen jungen Spielern bestand, von denen viele den Fußball in der 2. Bundesliga erst kennenlernen mussten. Bueno kennt ihn inzwischen.
Der Kern bleibt und kennt die Liga
Wenn es darum geht, ganz neue Spieler zu verpflichten, dann wären zweitligaerfahrene Profis folglich ideal. Da Sportchef Paul Fernie jedoch gerne im Ausland scoutet, wird das nicht zwingend so sein. Bei Isac Lidberg, Killian Corredor und Sergio López hatte er zudem ein gutes Händchen bei Transfers aus dem Ausland bewiesen. Alle drei zählten zum Stammpersonal. Selbst wenn Lidberg und Clemens Riedel noch abgeworben werden sollten, bleibt den Lilien das Gros der Stammkräfte erhalten. Der Kern des Kaders sollte also inzwischen wissen, was ihn in der neuen Saison erwartet.
Das heißt zugleich: Die Basis für die kommende Spielzeit ist gelegt. Es geht lediglich darum, fehlende Puzzlestücke zu ergänzen. Dabei wird es darauf ankommen, einen Spieler zu holen, der den viel zitierten Unterschied ausmacht. Einen Spieler, der weiß, wie eine kompakt verteidigende Mannschaft zu knacken ist, wie also ein tieferstehender Block in Unruhe versetzt werden kann. Denn das verstanden die Lilien in der abgelaufenen Spielzeit zu selten. Ein Spieler wie Braydon Manu war an guten Tagen solch ein Spieler, der eine Defensive durcheinanderwirbeln konnte. In dieser Hinsicht hätte man eventuell sogar schon jemanden im Kader. SVD-Youngster Othmane El Idrissi hatte jedenfalls in der letzten Saisonvorbereitung gute Ansätze gezeigt. Doch nach seinem kurzen Pflichtspieldebüt gegen Düsseldorf, das in einem unglücklichen Platzverweis mündete, erhielt er keine weitere Chance und war später lange verletzt.
Standardstärke, Leitfigur und Spielinitiator
Wen die 98er dringend benötigen, ist jemand, der gefährliche Standards tritt. Gerade bei einem potenziellen Abnehmer wie Zwei-Meter-Hüne Aleksandar Vukotic. Zudem könnte ein Spielerprofil gefragt sein, das Herz, Mentalität, aber auch kühlen Kopf in sich vereint. Jemand, wie der verabschiedete „Zimbo“. Er ging vor zwei Jahren nicht nur mit Leistung voran. Als erfahrener Profi war er auch ein wertvoller Kommunikator auf dem Feld, der positiv auf seine Mitspieler einwirkte. Vielleicht kann Will nach seiner verletzungsbedingten Rückkehr solch ein Spieler sein. Falls nicht, bestünde hier durchaus Handlungsbedarf.
Was ebenfalls gefragt sein dürfte, ist ein schneller Aufbauspieler aus der letzten Reihe. Patric Pfeiffer wusste vor seinem Wechsel nach Augsburg das Lilien-Spiel mit punktgenauen Flugbällen zu initiieren. Zudem verfügte er über eine hohe Grundschnelligkeit. Ein solcher Innenverteidiger würde den Lilien erneut gut zu Gesicht stehen. Erst recht sollte Riedel tatsächlich dem Lockruf eines anderen Klubs folgen. Etwas Phantomschmerzen hinterlässt nach wie vor die Lücke, die Marvin Mehlem hinterlassen hat. Ein zunehmend robuster Spieler, der mit seiner Ball- und Passsicherheit auffiel, der viel zwischen den Strafräumen unterwegs war, der offensiv Akzente setzte und der es verstand, Fouls in Strafraumnähe oder in heiklen Momenten zu ziehen. Ob Jean-Paul Boetius, Kai Klefisch oder Will in diese Rolle hineinwachsen? Falls nicht, dürfte auch hier gerne nachgelegt werden. Und was ist, wenn Lidberg noch geht und Hornby erneut von Verletzungen geplagt wäre? Dann müssten Fynn Lakenmacher und Oscar Vilhelmsson in die Bresche springen. Ob das ausreicht? Nach der letzten Saison müsste man das verneinen.
Und so kommt es in der Transferperiode letztlich darauf an, kurzfristige Abgänge durch gleichwertige Zugänge aufzufangen. Daneben müssen die zum Saisonende verabschiedeten Spieler höherwertig ersetzt werden. Diese neuen 98er werden jedenfalls die wichtigen Puzzlestücke sein, die die vorhandene Basis aufwerten müssen.
Lilien-Sommerfahrplan 2025
Mi, 2.7., 18.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Viktoria Aschaffenburg (Testspiel)
Mi, 9.7., 18.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Notts County (Testspiel)
Do, 10.7. bis Fr, 18.7.: Trainingslager in Bad Wörishofen
Mi, 23.7., ab 16.30 Uhr: Fanfest / Saisoneröffnung am Bölle
Sa, 26.7., 13.30 Uhr: Generalprobe (Testspiel) bei der TSG 1899 Hoffenheim
Sa, 2.8., 13 Uhr: SV Darmstadt 98 – VfL Bochum (1. Saisonspiel 2. Liga)
Fr, 8.8., 18.30 Uhr: 1. FC Nürnberg – SV Darmstadt 98
Sa, 16.8., 18 Uhr: VfB Lübeck – SV Darmstadt 98 (1. Runde DFB-Pokal)
So, 24.8., 13.30 Uhr: SV Darmstadt 98 – Hertha BSC
So, 31.8., 13.30 Uhr: 1. FC Kaiserslautern – SV Darmstadt 98
Matthias und der Kickschuh
Seit Ende 2011 schreibt Kickschuh-Blogger Matthias „Matze“ Kneifl über seine große Leidenschaft: den Fußball. Gerne greift er dabei besonders abseitige Geschichten auf. Kein Wunder also, dass der studierte Historiker und Redakteur zu Drittligazeiten begann, über die Lilien zu recherchieren und zu schreiben. Ein Resultat: das Taschenbuch „111 Gründe, den SV Darmstadt 98 zu lieben“, das (auch in einer erweiterten Neuauflage 2019) im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen ist. Zudem führt er seit einigen Jahren Interviews für den „Lilienkurier“. Genau der richtige Mann also für unsere „Unter Pappeln“-Rubrik!