Kristian „Kohle“ Kohlmannslehner | Foto: Nouki

Recording, Mixing und Mastering: Tonstudios sind wesentlicher Bestandteil der Musikbranche und unabdingbar für eine Kulturszene, die über Proberaumaufnahmen hinausgehen möchte. In der Artikelserie „Klangspuren“ stellen wir Euch regelmäßig Tonstudios aus der Darmstädter Musikszene vor – denn davon gibt es in unserer Stadt eine ganze Menge. In der fünften Ausgabe geht es dafür ausnahmsweise über die Stadtgrenzen hinaus. Denn auch, wenn das Kohlekeller Studio streng genommen nicht im Darmstädter Stadtgebiet liegt, darf es beim Thema Musikproduktion in der Region natürlich nicht fehlen.

Seit 25 Jahren produziert Kristian „Kohle“ Kohlmannslehner in seinem Keller Musik, die soundtechnisch „von AC/DC über Cannibal Corpse bis Black Metal“ reicht. Noch nie in seinem Leben ist er umgezogen. Seit Ende der 90er recordet er in seinem Elternhaus in Ober-Beerbach, einem Ortsteil von Seeheim-Jugenheim im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Hier ist er aufgewachsen. Der Keller wurde dabei immer weiter ausgebaut und so wuchsen über die Jahre circa 180 Quadratmeter Aufnahmestudio. „Das ist hier alles nach und nach wie so ein Termitenbau entstanden“, lacht Kohle.

Zusammen mit seinen Angestellten Kai Stahlenberg und Daniel Claar arbeitet er im „Kohlekeller“ in drei Regieräumen, in denen man teilweise auch aufnehmen kann, sowie einem weiteren, aufwendig konzipierten Aufnahmeraum. „Dieser ‚Raum im Raum‘ steht komplett auf Federn. Die Wände sind schallisoliert mit viel Masse, damit die Nachbarhäuser draußen so wenig wie möglich hören“, beschreibt der Musikproduzent den dunkelrot gestrichenen Raum, den neben stilvoll schwarzen Schallisolierungen und einem Kronleuchter auch ein Segelschiffsmodell an der Wand ziert. Ein weiterer Teil des Kellerkomplexes ist ein kleines Apartment für bis zu drei Personen mit Dusche und Betten, liebevoll „Jugendherberge“ genannt.

Erste aufgenommene Band: Ende der 90er

Die Regie- und Aufnahmeräume sind alle miteinander verkabelt, damit man von überall alle Mikrofone bedienen kann. „Früher gab es nur einen Raum und wir haben noch die Kabel durch die Tür gelegt und vor der Tür aufgenommen“, erinnert sich Kohle. So auch bei der allerersten Band, die hier Ende der 90er aufnahm: No Credits Left von Gitarrist Marcus Bischoff, den man in Darmstadt als Initiator der Rockbar Lowbrow und Gründungsmitglied der Band Bushfire kennt. „Die hatten hier ein Demotape aufgenommen und weil es halt bei mir, dem Kohle, im Keller war, haben sie einfach ‚Kohlekeller‘ als Recording Studio draufgeschrieben“, erzählt er. Der Name sei dann eben für immer geblieben.

Heute kann das Tonstudio auf Chartplatzierungen und große Namen der Metalszene wie Powerwolf, Electric Callboy, Aborted oder Hämatom blicken, die hier ihre Alben aufgenommen haben. Das Dreier-Team arbeitet stets an mehreren Produktionen parallel. Der Großteil der Bands ist dabei international; Produktionen gab es schon mit jeglichen europäischen Plattenfirmen der Metalszene: Nuclear Blast, Century Media, Napalm Records und Metal Blade. Doch auch regionale Metal- und Hardcore-Bands kommen hin und wieder in den Kohlekeller, so etwa All Will Know (Veranstalter des Metal-Up-Your-Life-Festivals in der Oetinger Villa), 47 Million Dollars (Hardcore-Urgesteine aus Darmstadt), 8kids, Of Colours oder Bury My Regrets.

Foto: Nouki

Learning by doing

„Ich hatte das Glück, dass ich am Anfang erst mal keine Unkosten hatte“, meint Kohle und bezieht sich dabei auf den Keller seiner Eltern. Als er schließlich sein Musikwissenschaftsstudium abbrach, um mehr Zeit für das Studio zu haben, fing er deshalb „nicht erst bei Null an“. „Klar hatte ich keine Garantie, dass das was wird, aber es lief schon ganz gut“, erzählt er. Rückblickend wäre ein Praktikum in einem entsprechenden Studio aber „bestimmt mal ganz gut gewesen“. Ohne Internet habe er anfangs eben „einfach hier in meinem Dorf gesessen und versucht, die Dinge selber rauszukriegen“.

Schon als Teenager war Kohle durch intensives Tapetrading und über das Schreiben für ein Hamburger Fanzine stets im engen Kontakt mit der Metalszene – auch über Deutschland hinaus. In Darmstadt spielte er zwar ebenfalls in verschiedenen Bands und stand auf den allseits bekannten Bühnen der Stadt, doch der „harte Kern“ der lokalen Szene habe eher aus anderen bestanden. 2002 kam dann zum ersten Mal eine ausländische Band zu ihm ins Studio. Heute sind die meisten seiner Gäste international: aus Frankreich, den Niederlanden oder Österreich, auch Musiker:innen aus Thailand, Australien, Israel und den USA haben schon im Kohlekeller Studio Musik aufgenommen.

Foto: Nouki

In Zeiten von Home Recording

„Viele Leute kommen her wegen der Schlagzeugaufnahmen“, weiß Inhaber Kohle. Der tiefe Aufnahmeraum, am Hang gelegen, bietet eine spezielle Akustik dafür. Hinzu kommt das professionelle Equipment an Mikrofonen und Instrumenten. „Weil: Was vom Instrument her einfach geil klingt, muss ich nachher nicht mehr korrigieren oder reparieren“, erklärt er. Ihm sei es immer schon wichtiger gewesen, was vor dem Mikrofon passiere. Investiert habe er in Schlagzeugelemente, Gitarren, Bässe und Verstärker. „Wenn ich bei einer Aufnahme fehlende Höhen mit einem 4.000-Euro-Equalizer wieder reindrehen kann, kaufe ich mir doch lieber direkt Becken, die diese Höhen haben“, argumentiert er. Doch auch der psychologische Aspekt, wie man mit den Musiker:innen während einer Produktion umgehe, sei entscheidend für das letztendliche Ergebnis. „Oft gibt es Erwartungen von den Fans und der Plattenfirma. Es gibt Druck: Wohin geht die neue Platte?“, erklärt Kohle. „Es ist wichtig, eine entspannte Session zu haben, bei der alle kreativ sind und Bock haben.“ Gleichzeitig müsse man für gute Ergebnisse aber auch mal Kritik üben – und das ohne schlechte Stimmung zu machen: „Du musst schauen, ob die Leute nervös sind, ob sie arrogant sind oder ob sie wütend werden, wenn etwas nicht klappt … und auch, wie eine Band untereinander funktioniert.“ Gerade in Zeiten, in denen viele durch ihren Laptop selbst die Möglichkeit zum Musikaufnehmen haben, komme es auf diese speziellen Fähigkeiten eines Musikproduzenten an. „Weil gut ist irgendwie jeder“, fasst Kohle zusammen. „Es gibt Samples, IRs [Impulse Responses], Presets … Der Grund, wieso Bands zu dir kommen, ist, weil du einen Klang schaffst, den andere nicht schaffen. Und darauf wird es auch immer weiter hinauslaufen.“

Online Academy und Youtube-Kanal

Dieses Wissen zu speziellen Fragen beim Aufnehmen von Schlagzeugen und Gitarren bietet Kohle inzwischen auch in seiner Online Academy „Kohle Audio Kult“ an. Hier erklärt er in Webkursen etwa, wie man eine Snare Drum richtig stimmt und mikrofoniert, oder wie man einen speziellen Sound im Mixing erreicht. Die Videos, für die man monatlich zahlt, entstehen dabei zusammen mit bekannten Produzent:innen und Musiker:innen aus der Metalwelt. Kostenlosen Content gibt es derweil auf seinem Youtube-Kanal, den er während der Corona-Pandemie vor vier Jahren ins Leben rief. Knapp 70.000 Abonnent:innen folgen dort seinem Kanal, ein Großteil davon stammt aus den USA.

„Durch die Academy und die Youtube-Sachen bin ich in letzter Zeit viel am Reisen und arbeite auch in ausländischen Studios“, erzählt Kohle. Für seine Videos war er zuletzt in Schweden, Wien und London. Als Nächstes steht Porto auf dem Reiseplan. „Alles, was ich auf Youtube oder in der Academy sage, basiert quasi auf den letzten 25 Jahren, die ich hier im Keller gehockt und nichts anderes gemacht habe“, meint er. Die Videos produziert der Ober-Beerbacher teilweise selbst, für zwei Tage die Woche arbeitet zusätzlich ein Videocutter für ihn. Eine weitere Form der Wissensvermittlung, die Kohle inzwischen anbietet, sind Master Classes. So erklärte er etwa auf der Fachmesse „Guitar Summit“ im September in Mannheim zusammen mit dem Metal-Produzenten Adam „Nolly“ Getgood (ehemaliger Bassist von Periphery) in einem vierstündigen Kurs, wie genau er beim Gitarreaufnehmen vorgeht.

Foto: Nouki

„Metal war immer positiv“

Aktuelle Projekte im Kohlekeller Studio sind beziehungsweise liefen gerade mit Harakiri for the Sky (Post Black Metal aus Österreich), Powerwolf (Power Metal aus Saarbrücken), Melechesh (Black Metal aus Israel) und Omophagia (Death Metal aus der Schweiz). Sie reihen sich ein in eine Liste Hunderter Bands, die über die Jahre den Kohlekeller besucht haben. Manchmal habe er dabei selbst „so Fanboy-Momente“ gehabt, erzählt Kohle. „Vorletztes Jahr hatte ich zum Beispiel Dave Ellefson mit seiner neuen Band hier. Da dachte ich mir so: krass! Der hat auf allen Megadeath-Platten, die ich als Kind gehört habe, Bass gespielt und jetzt nehme ich hier mit dem auf.“ Und obwohl Metal auch in Kohles Wahrnehmung eher „zu männlich und zu weiß“ geprägt sei, sei das Schöne an diesem Genre auch immer der Zusammenhalt in der Szene gewesen: „Es gab schon immer diese gewisse Toleranz in der Szene“, erklärt er, „eine Gewaltfreiheit und Akzeptanz, die ich immer geil fand. Metal war immer positiv.“

 

Klangspuren-Steckbrief

Wer? Kristian „Kohle“ Kohlmannslehner

Fokus? Recording, Mixing und Mastering für Metal-Produktionen

Besonderheiten? Drumediting, Gitarren Re-Amping, Apartment vor Ort

Wen aufgenommen? unter anderem Powerwolf, Electric Callboy, Aborted, All Will Know, 47 Million Dollars, 8kids

Kontakt und Website? kohlekeller.de und youtube.com/kohlekellerstudio, kohle@kohlekeller.de, (06257) 9699213