Wer beim hiesigen Uni-Leben nur an einen ständigen Hustle zwischen ewigem Lesen und Lernen, Pendeln und Präsentieren denkt, der verpasst die Chance, das große Potenzial dieses Ortes auszuschöpfen. Denn der Darmstädter Campus besteht aus weit mehr als grauen Gängen, vielen Treppen und komplizierten Raumbezeichnungen: Hier gibt’s auch Kultur – und zwar für alle!
Doch fangen wir chronologisch an: Guten Morgen, wie war die Fahrt? Kalt auf dem Fahrrad, lang in der Bahn? Eklig. Dann erst mal in die Bib, ins Büro oder Seminar. Nach ein paar Stunden die erste Pause. Wohin jetzt? Warum nicht in Darmstadts schönstes Wohnzimmer? Gelegen an der viel befahrenen Alexanderstraße, aber kaum zwei Minuten vom Herz des Campus entfernt. Auf 221 qm gibt es – Mo bis Do ab 11 Uhr – Kaffee, Tee und allerlei Sprudeliges (Fr + Sa ist ab 19 Uhr Barbetrieb). Das Café des autonomen gewerblichen Referats des AStA der TU Darmstadt schmückt sich mit Retro-Sofas um Vintage-Tischen, von der Sichtbeton-Decke schallen sanfte House-Beats, der Innenraum ist begrünt. Zwischen Studis mit Laptops (das Uni-WLAN ist hier ziemlich stabil) sitzen Eltern mit Kindern im Tragesitz, alle genießen den Kaffee zu studentischen Preisen. Nahe von Herrngarten, Welterbe und der Innenstadt gelegen, ist mensch hier trotzdem außerhalb jeglichen Trubels. 806qm.de
Schon ist die Pause fast vorbei, jetzt nur noch ein bisschen Ablenkung, Zerstreuung. Und womit lässt sich die Zeit sinnvoller füllen als mit Kunst? Im zweiten Stock des ehrwürdigen alten Hauptgebäudes in der Hochschulstraße 1 verspricht das Kunstforum der TU Darmstadt viel Inhalt auf wenig Raum. So wird selbst der kurze Weg zwischen Mensa Stadtmitte und Hörsaal zum kulturellen Erlebnis. Wer zwischen den Veranstaltungen oder auf dem Weg zu einer Shoppingtour im Martinsviertel eine kleine Pause möchte, braucht nur ein mobiles Endgerät und kann über virtuelle Rundgänge in die Tiefen der Campus-Kunst eintauchen – und demnächst wohl auch über eine eigene App (versteckte) Kunstwerke entdecken. Seit ein paar Jahren bespielt das Kunstforum auch Orte des öffentlichen Raums und verwischt so die Grenze zwischen Uni und dem Rest der Stadt weiter. tu-darmstadt.de/kunstforum
So, jetzt nur noch ein paar Stunden konzentriert am (Schreib-)Tisch sitzen – und schon ist der studentische Arbeitstag vorbei. Jenen, die noch nicht müde sind, mehr Lust auf Leben haben, steht die (Film-)Welt offen! Beginnen wir mit der niedrigschwelligsten, weil am häufigsten angebotenen Option: Seit der ersten Vorführung 1954 zeigt der Studentische Filmkreis der TU Darmstadt alles von Schwarz-Weiß-Hochkultur bis „13 Semester“: drei Mal die Woche, im Audimax – oder in einer bemerkenswerten Kooperation mit den Darmstädter Kinos im Rex Programmkino in der Wilhelminenstraße –, in deutscher Übersetzung, im Original oder mit Untertiteln. Zu studierendenfreundlichen Preisen. Das Programm bietet damit eine wichtige Ergänzung zum recht kommerziellen Kinoerlebnis in den großen Sälen – und ist außerdem eine nette Gelegenheit, mal abends ins Audimax zu kommen. Dann wirken die Räume und Gänge ein bisschen spooky, ohne das geschäftige Treiben des TU-Alltags fast ein bisschen einsam. Gut also, dass nach dem offiziellen Uni-Betreib ein bisschen Unterhaltung geboten wird! filmkreis.de
Raus aus der Uni – und direkt wieder rein in studentisch organisierte Kultur: Abseits des Schauspiels am Staatstheater gibt es auch zahlreiche Darmstädter Laien-Gruppen. Eine davon ist das TUD Schauspielstudio, das hauseigene Ensemble der Universität. Die mittlerweile mehr als 40 Theaterbegeisterten spielen meist im Theater Moller Haus, dem Heim der freien Theaterszene Darmstadts. Jedes Jahr zeigen sie eine Hauptproduktion, darüber hinaus ist eine Nebenproduktion möglich. Dienstags wird geprobt, von Stimm- bis Dehnübungen werden hier Körper und Geist auf die große Bühne vorbereitet. Und wer selbst Lust hat, mitzuspielen, trifft hier auf eine offene und freigeistige Gruppe. Weder wird ein Studierendenstatus vorausgesetzt, noch gibt es eine Altersbegrenzung – als einzige Voraussetzung gilt: Leidenschaft fürs Schauspiel. tud-schauspielstudio.de
Von den vielen Kulturformen, die sich an der sowie um die Uni finden lassen, fehlt natürlich noch eine wichtige: die Königin der Nacht, die Musik! Für Fans des klassischen Gesangs ist der Chor der TU Darmstadt ein Must-know. Als größter Chor der Stadt präsentiert er eine weit gefächerte Auswahl von Sinfonien bis A-capella-Stücken, vom Barock bis heute. Große Venues füllt er problemlos, denn neben einem höchst professionellen Anspruch an sich selbst werden die Sänger:innen außerdem vom Orchester der TU Darmstadt begleitet: eine unschlagbare Kombi! Das Orchester ist der älteste Club der Darmstädter Uni, eine echte Institution. Dabei sind Studis und (ehemalige) Mitarbeiter:innen der TU, aber auch Externe. Weil so ein Musikstück natürlich komplex und aufwändig zu spielen ist, muss viel geprobt werden. Geheimtipp: Wer dienstagabends nahe der Uni in der Hochschulstraße unterwegs ist, sollte Thermoskanne und Kissen mit sich führen – denn ab halb acht wird im alten Hauptgebäude geprobt und der schöne Schall breitet sich weit über die angrenzenden Straßen bis in den Herrngarten aus! chor.tu-darmstadt.de und orchester.tu-darmstadt.de
Nun denn, die Nacht neigt sich dem Ende zu und es gibt zwei Möglichkeiten: heimgehen oder weiterziehen. Letzteres führt erst mal zurück zum Anfang. Während das 221qm heute Morgen noch den Kaffeedurst der Massen gestillt hat, tummeln sich jetzt dort die Feierwütigen aller Alter und Semester. Donnerstags bis samstags ab 19 Uhr öffnet die 221qm Bar, die gemütliche Wohnzimmeratmosphäre hält sich, lediglich das Licht wird schwächer und die Musik ein bisschen lauter. Am Wochenende wird die Party eine Etage tiefer ins Untergeschoss verlegt: Im Club 806qm spielen Bands und legen DJs auf. Zwei Säle und ein Innenhof laden dazu ein, alles einfach mal zu vergessen. Alles, außer natürlich die zweite studentisch organisierte Location der nächtlichen Veranstaltungskultur: Der Schlosskeller, ebenfalls ein autonomes Gewerbe des AStA, wird seit 1966 als Veranstaltungsort genutzt. Die Getränkepreise sind im Schlossgewölbe ähnlich moderat, das Kulturangebot teils ein bisschen nischiger als im fast benachbarten 806qm: zu Livemusik kommen Jamsessions und Kleinkunst, Vorträge und Kino. Vor allem die vielen regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen machen den Charme dieses Clubs aus, neben 80er-Partys jeden letzten Samstag im Monat schillert mit „Schrill und Laut“ eine berühmt-berüchtigte Queers-und-Friends-Partyreihe. 806qm.de und schlosskeller-darmstadt.de
Nächste Folge: öffentliche Vorlesungen und Vorträge
Uff! Lang war der mit Kultur gefüllte Uni-Tag in Darmstadt – und schön. Ob studierend oder nicht, ob jeden Tag am Campus oder nur mal hier für einen Ausflug – haltet die Augen offen! Dieser Ort hat einiges mehr zu bieten, als viele vermuten. Und wer weniger an Kunst und Musik, dafür mehr an akademischen Inhalten interessiert ist: In der nächsten Folge von „Campus-Leben alias Uni für alle“ erfahrt Ihr alles über öffentliche Vorlesungen und Vorträge. Stay tuned!
Kostenlos ins Theater und Museum
Für Studierende der TU und der h_da gibt es noch ein besonderes Schmankerl: freien Eintritt zu Aufführungen im Staatstheater und Theater Moller Haus, außerdem ins Hessische Landesmuseum Darmstadt. Alle Infos zum kostenlosen Eintritt findet ihr unter asta.tu-darmstadt.de/de/themen/kultur sowie asta-hochschule-darmstadt.de/projekte-and-angebote/kulturticket … so, und jetzt runter von der Couch!
Darmstadt kennenlernen
Für alle, die sich lieber in Rudeln und Herden – oder zum ersten Mal – mit dem Campus beschäftigen, bietet das Stadt- und Touristikmarketing Darmstadt Führungen über den Campus Stadtmitte, h_da und Lichtwiese an. Alle Infos dazu unter: darmstadt-tourismus.de/fuehrungen