Mohammad und Shukur flüchteten 2015 aus Afghanistan, das P begleitet sie seit Oktober 2015 | Foto: Ulrike Liebig

Drei Jahre sind vergangen seit unserem letzten Update über Mohammad und Shukur, die 2015 aus Afghanistan nach Darmstadt flüchteten. Inzwischen ist viel passiert. Während die Taliban in der Heimat der beiden die Macht über das Land gewonnen haben und Afghanistan im Chaos versinkt, leben Mohammad und Shukur ihr Leben hier weiter. Wie ist es ihnen in der Zwischenzeit ergangen? Was machen sie mittlerweile beruflich? Und wie geht es ihnen persönlich? Die Fortsetzung einer Geschichte über Heimatgefühle und Träume, zwischen Warten und Hoffen.

Mohammad hat einen Meilenstein geschafft: Er hat seine Ausbildung zum Augenoptiker mit Erfolg abgeschlossen und wurde von seinem Ausbildungsbetrieb direkt übernommen. Seit diesem Jahr arbeitet er in Vollzeit. Mit seinem unbefristeten Vertrag steht er jetzt auf stabilem Boden. „Es ist ein cooler Job. Man hat viel mit Menschen zu tun. Dadurch kann ich mein Deutsch noch weiter verbessern“, sagt der 24-Jährige, dem auch das Handwerkliche am Augenoptiker-Dasein gefällt. Mit den Kollegen versteht er sich gut, und durch die Ausbildung hat er Freunde hinzugewonnen.

Mohammad wirkt angekommen. Der Weg dorthin war jedoch nicht selbstverständlich. Immer wieder sorgte sein befristeter Aufenthaltsstatus für Unsicherheit. So lehnte das bundesweit aufgestellte Unternehmen aus diesem Grund zunächst ab, den Ausbildungsvertrag zu unterschreiben. Mohammad blieb beharrlich und klärte die Sache mit dem Kundenservice des Betriebs. Selbst jetzt, mit einer unbefristeten Stelle, wird von Behördenseite nicht offiziell bestätigt, dass er bleiben darf. Seine Aufenthaltserlaubnis wurde vorerst wieder nur um sechs Monate verlängert.

„Afghanistan ist wieder bei Null.“

Die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan findet Mohammad schlimm: „Zwanzig Jahre Bemühungen sind umsonst gewesen. Das Land ist wieder bei Null.“ Seine Geschwister leben mittlerweile im sichereren Iran. Mohammad kann sie jedoch nicht besuchen. Solange er keine Erlaubnis zum Daueraufenthalt hat, darf er nicht reisen. Er vermisst es, andere Städte, andere Kulturen zu sehen. Und seine Familie.

Was er sich für die Zukunft wünscht? „In zwei, drei Jahren möchte ich meinen Meister machen. Und ich will weiter hier leben.“ In Darmstadt gefällt es ihm besser als in der Heimat, denn: „Hier ist es sicherer.“

Shukur arbeitet weiter an einer Perspektive. Er besuchte bis Ende August einen Deutschkurs und macht den Führerschein. Die Theorieprüfung hat der 25-Jährige bereits bestanden. Seine Ausbildung zum Änderungsschneider, die er 2018 begonnen hat, droht an der sprachlichen Hürde zu scheitern. Die praktische Prüfung bestand er 2019 mit Bravour, aber durch den theoretischen Teil fiel er durch. Auch bei einem zweiten Anlauf, mit Nachhilfe, klappte es nicht. Eine letzte Chance, die Prüfung zu wiederholen, hat Shukur noch. Im Moment wagt er es nicht, diese wahrzunehmen. Stattdessen möchte er sich selbstständig machen, einen Laden übernehmen, sobald wie möglich endlich arbeiten und Geld verdienen. „Ich bin mir sicher, dass mein Geschäft laufen wird. Ich hatte in meiner Heimat schon einen eigenen Laden.“

 

Foto: Ulrike Liebig

Problem: begrenzter Aufenthaltsstatus

Bis dahin ist der begrenzte Aufenthaltsstatus auch bei ihm ein zusätzlicher Stolperstein. Viele Unternehmen lehnen ihn deswegen ab. Auch die fehlende Ausbildung ist ein Problem. Es bleiben kleine Tauschgeschäfte – ein Behördengang gegen die Änderung eines Kleidungsstücks zum Beispiel – oder oft nur kurzfristige Minijobs, die nicht für den Lebensunterhalt ausreichen. Das ist frustrierend. Sechs Jahre in Unsicherheit haben an Shukur gezehrt. Er macht sich Gedanken: „Ich frage die Leute immer: Wie kann man gut leben? … Damit ich von ihren Antworten lernen kann.“

Dazu kommt die Sorge um seine Verwandten in Afghanistan. Seine Schwester und ihre Familie mit fünf Kindern leben noch dort. Es ist sehr gefährlich geworden für sie. Frauen werden von den Taliban verschleppt, Männer zum Kämpfen auf ihrer Seite gezwungen. Aktuell versteckt sich die Familie vor den neuen Machthabern. Shukur schläft schlecht deswegen.

Während die Familie in der Heimat um ihr Leben fürchtet, bemüht sich Shukur weiter um ein stabiles Leben in Darmstadt. Er gibt nicht auf. Er schaut nach Räumlichkeiten und klärt die Finanzierung für seine Geschäftsidee. Vielleicht nimmt er zu einem späteren Zeitpunkt die Prüfung zum Änderungsschneider noch einmal in Angriff. Die Chancen, sie zu bestehen, stehen nun besser. Shukur wartet gerade auf die Ergebnisse seines Deutschkurses – und sagt: „Ich habe ein gutes Gefühl.“