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Foto: Madeleine Trunk + Franziska Schuhmann

Am östlichen Zipfel Darmstadts, hinter der Rosenhöhe erstrecken sich weite Felder, die auch immer mehr Darmstädter lieb gewinnen. Auf 150 Hektar betreibt das Hofgut Oberfeld hier seine biologisch-dynamische Landwirtschaft. Die Erzeugnisse werden im angeschlossenen Hofladen mit Café direkt angeboten: Kartoffeln und Kürbisse, frisches Brot aus dem Holzofen, Fleisch aus hofeigener Zucht und Käse aus eigener Herstellung. Vivian Glover, verantwortlich für den Hofladen des Hofguts Oberfeld, erklärt uns im Interview, warum immer mehr Verbraucher Bio-Lebensmittel bevorzugen.

Was ist das Besondere an Ihrem Hofgut-Laden und dem Hofgut-Café?

Wir haben hier eine Umgebung, die Cafés in der Stadt nicht bieten können. Dort hat man einfach nicht die Kühe um die Ecke, wenn man einen Kaffee trinken geht. Den Hofladen kann man nicht mit einem Supermarkt vergleichen, weil ein Supermarkt ein konventioneller Lebensmittel-Einzelhandel ist und höchstens eine Bio-Sparte hat. Wenn überhaupt könnte man den Hofgut-Laden mit den inhabergeführten Naturkostläden vergleichen.

Was bieten Sie, neben hofeigenen Produkten wie Bio-Fleisch, noch an?

Knuspermüsli aus dem Holzofen zum Beispiel. Wenn man Brot gebacken hat, ist der Ofen immer noch warm und hat knapp 250 Grad. Dann machen wir darin unser Knuspermüsli. Wir haben mittlerweile auch die komplette Palette an Milchprodukten im Angebot, außer Butter. Von Joghurt, Quark, Milch über Frischkäse, Weichkäse wie Camembert – und jetzt auch Hartkäse. Ein Viertel der Käsetheke ist aus eigener Herstellung. Mehr soll es aber nicht werden, denn wir wollen ja auch noch andere Sachen verkaufen.

Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Produkte?

Da ich die Sortimentsgestaltung selbst mache, versuche ich so viele Produkte wie möglich auf Messen zu probieren, bevor ich sie verkaufe. Da spielt natürlich auch mein persönlicher Geschmack eine gewisse Rolle. Ich versuche eigentlich nur Sachen im Sortiment zu haben, hinter denen ich auch selber stehe. Ich bevorzuge Firmen, die nur Bio-Produkte produzieren und das vielleicht auch schon seit 60 Jahren oder länger. Auch so etwas fließt in die Entscheidung mit ein.

Wer genau steckt hinter dem Hofgut Oberfeld, von wem wird es betrieben?

Da ist einmal die Initiative Domäne Oberfeld e. V., die das Ganze ins Leben gerufen hat. Der Stiftung Hofgut Oberfeld e. V. wiederum gehört der ganze Hof. Außerdem gibt es noch verschiedene Initiativen, die hier mitwirken, wie die Hofgut Oberfeld Landwirtschaft AG oder der „Lernort Bauernhof“. Er ist eine pädagogische Einrichtung, die Umweltbildung für Kinder, aber auch für Erwachsene anbietet.

Apropos Umweltbildung: Jeder, der möchte, kann sich ja hier Stückchen Acker mieten. Wie funktioniert das?

Genau, das sind unsere Saisongärten. Die Idee ist, dass man sich für eine Saison ein Stück Acker, eine Parzelle, pachtet. Darauf sind bereits Samen ausgesät. Man pachtet also im Prinzip mit Starterpaket. Es gibt dort zum Beispiel mehrere Reihen Kartoffeln, eine Reihe Mangold, eine Reihe Möhren und so weiter. Es ist also ein gewisser Erfolg vorprogrammiert, weil schon Pflanzen auf dem Acker stehen. Auf der Parzelle ist aber auch noch ein bisschen Platz frei, um seine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Solange man gießt, wenn es nötig ist, kann man eigentlich nicht viel falsch machen.

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Foto: Madeleine Trunk + Franziska Schuhmann

Städtisches Gärtnern liegt generell im Trend. Können Sie sich das erklären?

Das hängt ein bisschen damit zusammen, dass mehr Leute bio kaufen, weil sie wissen wollen, wo die Lebensmittel herkommen. Und immer mehr Leute gehen raus, bewegen sich, wollen einfach gesund leben. Die Parzelle lohnt sich auch finanziell. Man zahlt 200 Euro pro Saison für eine vier Meter breite Parzelle. Von dieser Parzelle kann man vier bis sechs Leute mit Gemüse ernähren. Das sind hochgerechnet wirklich nur ein paar Euro pro Person und man kann jeden Tag knackfrischen Salat essen, direkt vom Acker.

Essen Sie selbst nur Bio-Produkte?

Na klar, das ist ja mein Leben. Heute Mittag gab es bei mir zum Beispiel das Oberfelder Dinkelbrot mit Käse und Wurst aus dem Hofladen.

Wie streng folgen Sie dem bewussten und gesunden Ernährungstrend?

Ich würde sagen, dass ich mich zu 99 Prozent bio ernähre. Aber nicht, weil es ein Trend ist, sondern weil es meine Überzeugung widerspiegelt. Natürlich hole ich mir ab und an auch mal einen Döner oder eine Pizza. Ich verzichte aber vor allem auf Fleisch, wenn ich nicht weiß, wo es genau herkommt. Eine Ausnahme ist, wenn ich irgendwo eingeladen bin: Da ist mir Höflichkeit wichtiger als meine Überzeugung. Wenn jemand extra für mich einen Sonntagsbraten gemacht hat, dann esse ich das Fleisch auch, wenn es nicht bio ist.

Warum leben Sie nicht vegetarisch oder vegan?

Ich esse aus gutem Grund Fleisch, weil ich der Meinung bin, dass das Tier und damit auch das Fleisch zu einer nachhaltigen Landwirtschaft dazugehört. Ich sage jetzt nicht, dass man nur Fleisch essen sollte. Aber wenn man sich das System Landwirtschaft vor Augen führt, dann gehört Fleisch definitiv zur Ernährung dazu.

Gibt es sowas wie den typischen Hofladen-Kunden?

Wir haben eine gemischte Kundschaft, aber wir können sie in gewisse Gruppen einteilen. Das fängt mit dem „Ober-Öko“ an, dann haben wir sehr viele Familien mit Kindern, viele Nachbarn und ältere Leute. Die kommen zu uns, weil es Lebensmittel gibt, die „wie früher“ schmecken. Dann haben wir noch relativ viele von den sogenannten „LOHAS“, das steht für „lifestyle of health and sustainability“. Bei ihnen ist bio auf der einen Seite ein gewisses Statussymbol, auf der anderen Seite die Gewissheit, sich und seinem Körper etwas Gutes zu tun.

Macht sich das Interesse an gesunden Lebensmitteln und Bio-Produkten auch bei Ihnen im Laden bemerkbar?

Die Zahl der Besucher steigt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass das Oberfeld an sich bekannter wird. Es gibt immer noch Menschen in Darmstadt, die ihr Leben lang hier wohnen und noch nie auf dem Oberfeld waren. Viele werden möglicherweise von den teuren Preisen abgeschreckt, dabei wissen sie nicht, wie kostenintensiv die Produktion ist.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Hofguts?

Ich fände es schön, wenn sich das Ganze kontinuierlich so weiter entwickelt, und dass nichts von dieser Atmosphäre auf der Strecke bleibt. Wir könnten sicherlich auch Busladungen voller Kunden herbringen, das würde auch funktionieren. Aber dann wäre das alles nicht mehr so, wie es jetzt ist. Unser nächstes größeres Projekt ist die Renovierung des Café-Raums. Von außen ist das Haus denkmalgerecht renoviert, aber innen ist noch so gut wie gar nichts gemacht. Wir wollen das Haus innen ausbauen, ohne dessen Charme zu verlieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Öffnungszeiten Hofladen und Hofcafé

Hofladen: Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr, Samstag von 9 bis 16 Uhr

Hofcafé: Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 9 bis 18 Uhr

Frühstück täglich zwischen 9 und 12 Uhr, Mittagstisch (Suppen, auch zum Mitnehmen) immer ab 11 Uhr

www.landwirtschaft-oberfeld.de

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