Die Idee für eine neue Band kam beim Mixtapes-Hören auf einer Italienreise. Maximilian Schneider (Gesang, Keyboard) und Robert Herz (Schlagzeug) kannte man in Darmstadt bis dahin vor allem von der 70s-Rock-Band Okta Logue; Bassist Grégoire Pignède hingegen von den Fusion-Jazzern Triorität.
Beide Bands haben sich weit über die Region hinaus einen Namen erspielt, liegen jedoch momentan jeweils brach. Ende letzten Jahres hat das neue Bandprojekt Theodor über das kleine Pariser Label Broc Recordz nun sein zweites Album veröffentlicht.
Wir haben die Band während einer Tourpause im Darmstädter Studio von Lui Hill (Philipp Rittmannsperger) abgefangen, der ebenfalls Teil der Band ist (Gesang, Percussion). Hier werkeln Theodor schon wieder an neuer Musik.
Ihr seid mit Eurem neuen Album „Holocene“ gerade durch ganz Europa unterwegs, unter anderem in London, Paris und Zürich. Die Stops in Frankfurt, Darmstadt, Mainz und Berlin waren ausverkauft. Welchen Unterschied macht es für Euch auf der Bühne, ob Ihr vor der lokalen Szene oder im Ausland spielt?
Robert: Ich muss sagen, je mehr Leute im Publikum sind, die ich kenne …
Lui: … desto aufgeregter werden wir.
Robert: Aber es hat uns auf jeden Fall auch sehr gefreut, zu merken, dass jetzt bei unserer London-Show eine richtige Crowd da war, mit Leuten, die teilweise innerhalb Englands zwei, drei Stunden angereist sind. Wir hatten mit dieser Reichweite, auch auf Spotify zum Beispiel, nicht gerechnet und freuen uns gerade voll, dass es Leute gibt, die uns entdecken.
Max: Von den Frühlingsterminen war jeder Abend irgendwie besonders und hatte seine ganz eigene Stimmung.
Gab es Highlights auf der Tour, die Euch im Kopf geblieben sind?
Lui: Ein Highlight war definitiv, nach England über den Kanal zu fahren. Und dann da im Linksverkehr anzukommen, zur Venue zu fahren, und nicht als zigste Band, die da in dem Monat spielt, begrüßt zu werden, sondern richtig freudig. Die hatten uns ja auch selbst angefragt. Die Musik-Szene in London ist auch krass, da gibt’s eigentlich ein absolutes Überangebot und die Leute sind total verwöhnt. Noch mehr als in Berlin. Wenn man da in einem Laden hundert oder zweihundert Leute an einem Freitag bekommt, sind die wirklich da, weil sie einen sehen wollen – das ist schon eine Ehre.
Euer Sound bewegt sich zwischen Soul und Funk, zeigt sich aber an vielen Stellen auch sehr jazzig. Im Gedächtnis bleiben vor allem der hohe Falsett-Gesang und die ausgeprägte Percussion. Ihr nennt Eure Musik „Psychedelic Sweet Soul“ – was genau meint Ihr damit?
Lui: Klassische Soul-Bands haben ja eigentlich noch Bläser und alles … Sweet Soul ist eine neue Bewegung; eine Reminiszenz an die 60s/70s. Und es ist alles noch mal langsamer als Marvin Gaye und Al Green zusammen – und noch süßer [macht mit den Fingern eine Geste, als würde er Zucker streuen]. Dadurch kommt frischer Wind in das, was man gemeinhin Soul nennt. Und „psychedelic“, weil es halt so wabert und wolkig ist. Das gibt so einen Vibe-Faktor.
Euer erstes, selbst betiteltes Album entstand mitten in der Pandemie. Was hat sich seit damals bis „Holocene“ geändert?
Max: Eigentlich der Fakt, dass wir jetzt auch richtig Konzerte spielen. Ursprünglich wollten wir Theodor ja als Studio-Projekt belassen.
Lui: Durch das Livespielen ist auch viel mehr Arbeit entstanden. Die Kommunikation mit der Agentur …
Robert: … wir sind auch nicht die geborenen Social-Media-Leute …
Lui: Aber das Gute ist, dass es so ein synergetischer Effekt ist und jeder seine Aufgaben in der Band hat. Und auch die Art, wie wir im Studio arbeiten, hat sich nicht großartig geändert.
„Unser erstes Album ist an vier Wochenenden entstanden.“
Betrifft das auch Euer Songwriting? Gerade arbeitet Ihr ja bereits an Eurem dritten Album.
Robert: Es ist spannend für uns zu beobachten, in welche Richtung es für uns jetzt ein Jahr später geht. Wir haben in den letzten zwei Tagen direkt zwei Songs gemacht. Und unser erstes Album ist praktisch auch an vier Wochenenden entstanden. Wir nehmen einfach auf, was wir spielen, hören uns das danach an und entdecken so quasi besondere Momente darin.
Max: Wo hört der Jam auf, wo beginnt der Song?
Robert: Das Besondere an unserer Arbeitsweise ist für mich auch, dass wir uns treffen und niemand mit irgendwelchen Skizzen oder Ideen ankommt, sondern wir einfach Soundcheck machen und direkt eine Idee im Raum ist, an der wir arbeiten. Wir versuchen dann, diesen Moment einzufangen und möglichst am gleichen Tag den Song in Form zu bringen und zu recorden. Im Prinzip machen wir Arrangements aufgrund von Improvisation. Mir gefällt dieses Direkte daran – ohne die Songs zu verkopft werden zu lassen.
Lui: Wir arbeiten eigentlich immer gemeinsam daran, bis hin zu den Texten.
Max: Weil es im Vorhinein oft keine konkrete Idee gibt, ist lange alles offen. Das ist witzig, wenn zum Beispiel der Gesang dazukommt und sich alles noch mal komplett verändert. Irgendwas Verrücktes kann zu jedem Zeitpunkt passieren.
„Wir haben einmal geprobt.“
Ihr arbeitet und recorded im Lui Hill Studio. Probt Ihr denn viel für die Shows?
Robert: Gar nicht. Wir haben einmal geprobt. [alle lachen]
Es gibt ja auch Live-Versionen, die anders sind als auf Platte. Wie viel Impro ist bei den Songs auf der Bühne dabei?
Lui: Es gibt in den Songs Parts, die ganz offen sind. Wir spielen sie aber natürlich auch jeden Abend und mit der Wiederholung kommen dann doch auch wieder „Plattenrillen“ in die Improvisation, denen wir folgen. Und am Ende gibt es dann einen Endpart, bei dem wir uns wieder treffen und den Song, „wie man ihn kennt“, beenden.
Max: Es gibt Landmarks. Wir wissen, dass bestimmte Melodien oder Fill-ins kommen und wie es danach weitergeht. Ich mag es aber jedes Mal, dass wir live auch Sachen einfach anders spielen. Je nachdem, wie man sich fühlt.
Robert: Manches geht live auch gar nicht so wie im Studio. Gerade wenn es ganz leise, dynamische Sachen sind, muss man da live anders mit umgehen und nicht versuchen, das möglichst nah an der Platte zu halten. Es sind zwei unterschiedliche Arbeitsweisen: Das kreative Arbeiten ist ganz anders als das Schauspielen.
Max: Wir lassen live nichts vom Band laufen und spielen auch nicht mit Klick oder so. Das meiste kommt tatsächlich von den Keyboards und auch das Drum-Pad wird live gespielt.
Euer Namensgeber war ja eine Katze. Hat „Theodor“ Euch und Euren Vibe auch darüber hinaus irgendwie beeinflusst?
Robert: Auf jeden Fall! Wir waren, während das erste Album entstand, immer wieder bei mir in Griesheim im Haus und haben zusammen gegessen, Musik gehört, gechillt … und da war eben diese alte Katze Theodor immer dabei – auch bei den Vocal Recordings bei mir zu Hause. Der war zu dem Zeitpunkt schon 24, ist immer mal auf den Recording Chair gesprungen, hat so verwuschelt auf den Bildschirm geguckt, wo so die ganzen Spuren sind … [alle lachen] Das war einfach eine richtige Character Cat.
Und jetzt lebt Theodor für immer in Eurer Musik weiter – in der entspannten und smoothen Stimmung, in die ihr Eure Besucher:innen während der Konzerte und auf der Platte hüllt …
Theodor live
Auch im Herbst weiter auf „Holocene“-Tour!
5.9. Schlachthof Wiesbaden
9.10. Alte Feuerwache, Mannheim
7.11. Transponder, Wien (AU)
14.11. Kantine am Berghain, Berlin
15.11. Franz Mehlhose, Erfurt
21.11. Yuca, Köln
22.11. Gannet, Basel (CH)