Recording, Mixing und Mastering: Tonstudios sind wesentlicher Bestandteil der Musikbranche und unabdingbar für eine Kulturszene, die über Proberaumaufnahmen hinausgehen möchte. In der Artikelserie „Klangspuren“ stellen wir Euch regelmäßig ein Darmstädter Tonstudio vor – denn davon gibt es in unserer Stadt eine ganze Menge. +
Folge 2 führt uns auf das Goebel-Gelände östlich des Darmstädter Hauptbahnhofs, über das man im P Magazin schon öfter lesen konnte – unter anderem weil hier auch einige Bands ihre Proberäume haben. Ein Stockwerk drüber hat sich das Lui Hill Studio eingerichtet. Das Tonstudio des gleichnamigen Solokünstlers aka Philipp Rittmannsperger (Neo Soul/Indie Pop) und Lukas Lehmann, ebenfalls Solokünstler (House), hat sich vor allem auf Keyboards, Synthesizer und alle möglichen elektronischen Tasteninstrumente spezialisiert.
„Der Standort ist ein Riesen-Vorteil“
Seit 2012 bauen Lukas und Philipp ihr Studio in dem alten Industriegebäude immer weiter aus. Zum 65 Quadratmeter großen Aufnahmesaal und dem daneben gelegenen Regieraum kam vor wenigen Jahren ein weiterer geräumiger Regieraum mit zusätzlichem Platz zum Lagern dazu. So kann nun auch parallel an Produktionen gearbeitet werden. Ein weiterer großer Lagerraum befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes. „Der Standort ist lautstärketechnisch ein Riesen-Vorteil“, betont Lukas Lehmann. Da es keine direkten Anwohner:innen gibt, könne man theoretisch „24 Stunden aufdrehen, wie man Bock hat“. Lukas kommt ursprünglich aus dem HipHop und musiziert schon seit dem Kindesalter zusammen mit anderen. Er und Philipp lebten zwar lange in der gleichen Straße in Bessungen, doch fanden sie erst nach einiger Zeit zusammen und beschlossen prompt, einen gemeinsamen Studioraum mit geteiltem Equipment zu gründen. „Das hat sich auch einfach gut ergänzt, weil ich meine Keys hatte und er eben Drummer war“, erklärt Lukas. Für ihn bedeutete das nicht nur, dass er raus aus seinem Keller in einen größeren Raum kam: „Phil hat mir auch einfach sauviel beigebracht, was Live-Recording oder richtige Mikrofonierung angeht.“
„Bei uns darf jeder alles benutzen“
Und dieses Konzept ist bis heute geblieben. Neben den beiden Geschäftsführern Lehmann und Rittmannsperger gibt es inzwischen diverse langfristige Untermieter, mit denen sich Räumlichkeit, Equipment und auch das Fachwissen geteilt werden. „Phil und ich sehen uns nicht als die großen Chefs oder so, es ist eher wie eine kreative Keimzelle hier“, definiert Lukas. „Wir sind froh, wenn jemand Special Knowledge aus einem bestimmten Bereich mitbringt oder zum Beispiel ein bestimmtes Outboard-Gear, das wir noch nicht haben. Bei uns darf jeder alles benutzen.“ Einen konkreten Businessplan habe man nie gehabt, eine eigene Website abseits von Social Media gibt es bis heute nicht. Mundpropaganda habe immer ausgereicht – auch wenn das Studio noch lange nicht bei 100 Prozent Auslastung stehe. Dabei müsse es auch nicht immer die Art von Musik sein, die die beiden selbst machen. „Hier sollen einfach schöne Sachen entstehen“, erklärt Lukas weiter. „Metal zum Beispiel ist jetzt überhaupt nicht meine Musikrichtung, aber es ist trotzdem cool, durch Lari Eiden, den man vielleicht aus dem Recording-Kontext kennt [und als Keyboarder der ehemaligen Darmstädter Post-Hardcore-Band The Data Break] hier diesen Input zu haben.“
Ein weiteres Mitglied der Studiogemeinschaft ist Manuel Schoppa, der inzwischen Live-Produktionsleitungen von Sängerin Paula Hartmann und Rapper Symba übernimmt oder den man als Live Sound Engineer von unter anderem Bodo Wartke, Audio88 & Yassin und dem Golden Leaves Festival kennt. Und auch die Darmstädter Gitarren-Ikone Philipp Meloi war bis vor Kurzem noch hier angesiedelt. Mit seiner Psychedelic-Rockband Okta Logue war er nicht nur für ein Live-Studiovideo im Lui Hill Studio, sondern stand 2017 sogar bei Rock am Ring auf der Bühne. Aktuelle Neuzugänge in der Studiogemeinschaft sind die bekannte Darmstädter Krautrockband Lucid Void sowie Nina Gerhard, welche 1992 als Sängerin des Eurodance-Hits „More and More“ vier Wochen Lang auf Platz eins der deutschen Musikcharts stand, inzwischen aber in jazzigeren Gefilden unterwegs ist sowie als Vocal Coach, Texterin, Komponistin und Sprecherin arbeitet.
Lokaler Schwerpunkt
Natürlich hat das Lui Hill Studio eine ganze Reihe an Instrumenten, Mikrofonen und Gitarrenverstärkern vorzuweisen, doch liegt ein besonderer Fokus auf elektronischen Tasteninstrumenten. Die Sammlung an digitalen und analogen Keyboards, Synthesizern und Heimorgeln ist beachtlich – meist mit Vintage-Charakter aus der Originalzeit. An so manches Sammlerstück davon ist heute nur noch schwer zu kommen. Unter anderem arbeitet man in dem Tonstudio mit den Modellen Sequential OB-6, Roland Juno-6, Roland Jupiter-4, Korg MS-20, einem Fender Rhodes, einer Philicorda sowie verschiedenen Farfisa-Orgeln und mit einem Yamaha Upright Piano.
Eine weitere Besonderheit des Studios ist laut Lukas Lehmann außerdem, dass „oft Leute mit Songs zu uns kommen, die vielleicht zu 80 Prozent fertig sind“. Ein klassisches Tonstudio sehe seine Aufgabe da wahrscheinlich nicht. „Wir bauen dann aber oft mit dem Kunden den Track noch zu den 100 Prozent zu Ende“, erzählt er.
Neben ein paar internationalen Projekten ist das Lui Hill Studio vor allem lokal und regional ausgerichtet. Am bekanntesten ist dabei wohl das hessische Comedy-Duo Badesalz mit einer Albumaufnahme, die zustande kam, nachdem Komiker und Musiker Gerd Knebel von Badesalz zusammen mit dem Darmstädter Rapper Mädness das Spaß-Projekt Dirty Dabbes im Lui Hill Studio aufgenommen hatte. Mädness und dessen Bruder Döll (ebenfalls Rapper) waren wiederum schon lange Bekannte des Studios und hatten hier unter anderem schon einen Sampler-Beitrag aufgenommen.
Eine ebenfalls lokale Band, die jedoch auch internationale Beachtung genießt, sind Triorität. Die Fusion-Jazz-Durchstarter aus Darmstadt waren nicht nur bereits auf großen Festivals wie dem Melt zu hören, auch das BBC Radio 6 spielte sie schon. Ihre Aufnahmen kommen dabei alle aus dem Lui Hill Studio. Neben Produktionen für Rapper Petko, Sängerin Ainie und die akustische Blues-Rockband The Robians entstanden und entstehen im Studio unweit des Darmstädter Hauptbahnhofs aber auch viele Recordings für Projekte von Lehmann und Rittmannsberger selbst. Entweder für ihre Solo-Projekte Lui Hill (Neo Soul/Indie Pop von Philipp Rittmannsperger) und Lukas Lehmann (House) oder für Bands wie Jay Woser (Indie Pop/Psychedelic Rock) und Jazz Against The Machine (Jazz-Cover von Grunge-Songs). Aktuell steht vor allem das neue Bandprojekt Theodor in den Startlöchern mit Philipp Rittmannsperger, Robert Herz und Maximilian Schneider (Okta Logue) sowie Grégoire Pignède (Triorität). Zusammen basteln sie einen gefühlvollen Sound aus Psychedelic Rock, Soul und viel Hall, mit dem die Band letztes Jahr bereits auf dem Offenbacher Riviera Festival sowie der „Kammerspektakel“-Reihe der Animaistics im Darmstädter Staatstheater spielte.
Klangspuren-Steckbrief
Wer? Philipp Rittmannsperger und Lukas Lehmann
Fokus? Recording, (Vintage-)Tasteninstrumente
Besonderheiten? rare Keyboards und Synthesizer, Song-Finishing
Wen aufgenommen? unter anderem Badesalz, Mädness, Döll, Okta Logue, Lui Hill, Lukas Lehmann und Triorität
Kontakt und Website? luihillstudio@t-online.de und facebook.com/luihillstudio